Für SPD-Fraktionsführer Claus Schmiedel kommt nur eine Abstimmung über Stuttgart 21 auf Grundlage der geltenden Verfassung infrage.

Stuttgart  - Claus Schmiedel (60) ist einer der acht Sozialdemokraten, die den Koalitionsvertrag mit den Grünen aushandeln. Der Ludwigsburger sitzt seit 1992 für die SPD im Landtag, seit 2008 ist er deren Fraktionsvorsitzender. Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für einen Ministerposten. Bis 1992 war er als Lehrer an einer Berufsschule in Stuttgart tätig.

 

Herr Schmiedel, kann es sein, dass die grün-rote Koalitionsvereinbarung am Thema Stuttgart 21 scheitert?
Ich spekuliere da nicht. Die Grundsatzposition der SPD ist: Wir haben uns im Wahlkampf für dieses Projekt ausgesprochen und das damit verbunden, dass wir die Entscheidung über einen möglichen Ausstieg aus Stuttgart 21 bei gleichzeitiger Zahlung von Schadenersatz dem Volk überlassen.

Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann hat gesagt, er sehe keinen Sinn in weiteren Gesprächen, falls man sich bei diesem Thema nicht einig wird.
Hermann hat nur das wiederholt, was wir schon gesagt haben: dass wir in den anderen Themenfeldern nicht weiterverhandeln, wenn wir an dem zentralen Punkt Stuttgart 21 nicht weiterkommen.

Könnte die SPD ein Scheitern der grün-roten Koalition wegen des umstrittenen Bahnprojekts gegenüber ihren eigenen Wählern und Anhängern verantworten?
Die Koalition wird an diesem Thema nicht scheitern. Wir stehen vor folgenden Fragen: Entweder gibt es eine Volksabstimmung nach der Verfassung, oder es gibt keine Volksabstimmung, und das Projekt wird weitergebaut. Wir arbeiten auf der Grundlage bestehender Verträge und des Baurechts der Bahn. Dass eine Mehrheit im Parlament bereit ist, die Sache nochmals aufzurollen und durch eine Entscheidung des Volkes möglicherweise zurückzuholen, das ist ein wesentliches Entgegenkommen, das zu einer Befriedung der Lage dienen soll.

Die SPD, so scheint es, will eine Volksabstimmung um jeden Preis durchsetzen. Auch um den Preis, dass das Projekt womöglich am Ende deutlich mehr kostet als von der Bahn bisher angegeben?
Darüber braucht man auch nicht zu spekulieren. Jetzt findet der Stresstest statt. Wir sind uns einig mit den Grünen, dass auf der Grundlage dieses Stresstests eine aktuelle Kostenberechnung stattfinden muss. Man wird dann sehen, was dabei herauskommt. Wir gehen davon aus, dass die Grenze von 4,5 Milliarden Euro nicht überschritten wird. Sollte das doch der Fall sein, dann müsste für eine weiter gehende finanzielle Beteiligung des Landes ein Einvernehmen innerhalb der neuen Landesregierung herbeigeführt werden. Das ist nach Lage der Dinge nicht zu erwarten. Wenn die Bahn dann zu der Entscheidung käme, das Projekt einzustellen, dann braucht man auch keine Volksabstimmung.

Wäre es nicht die fairste Variante, das in der Landesverfassung verankerte Quorum für eine Volksabstimmung zu senken, damit das Votum - wie auch immer es ausfällt - den Bürgerwillen widerspiegelt?
Darüber wollen wir mit der CDU reden. Die CDU hat selbst vorgeschlagen, das Quorum von 33 auf 25 Prozent zu reduzieren. Es wäre seltsam, wenn sie jetzt davon abginge. SPD und Grüne haben damals abgelehnt, weil es uns nicht weit genug ging. Klar ist aber auch: Für die SPD kommt nur eine Abstimmung auf Grundlage der geltenden Verfassung infrage.

In den Reihen der Grünen gibt es den Vorschlag, die Bahn solle sich verpflichten, alle über die Sollbruchstelle von 4,5 Milliarden Euro hinausgehenden Kosten allein zu tragen. Könnte die SPD da mitgehen?
Wie gesagt, das Land wird sich nicht an höheren Kosten beteiligen. Grundlage dieser Äußerungen ist eine Auslegung der im Finanzierungsvertrag verankerten Sprechklausel, die die Grünen aus unserer Sicht völlig falsch interpretieren. Sie sehen darin einen Zwang, dass sich alle Finanzierungspartner an zusätzlichen Kosten beteiligen müssten. Das ist aber falsch. Wir werden den Grünen dazu auch eine gutachterliche Stellungnahme vorlegen, die zeigt, dass unsere Position die richtige ist.

In den vergangenen Wochen hat unter anderem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer einen Kompromiss ins Gespräch gebracht. Die Kurzversion: der Kopfbahnhof bleibt bestehen und wird in irgendeiner Form über das Neckartal an die zu bauende ICE-Trasse angeschlossen. Warum sperrt sich die SPD gegen einen solche Variante?
Wir sperren uns da nicht, sondern das ist ein unakzeptabler Vorschlag, den der Bundesverkehrsminister ja schon selbst wieder zurückgezogen hat, nachdem der Vorstand der Deutschen Bahn die Idee verworfen hat. Ich kann doch keine Schnellbahntrasse in einen Sackbahnhof bauen. Die Idee ist eine pure Fata Morgana.