Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Alle Auslandseinsätze liefen bereits, als Sie ins Amt kamen. Sie mussten selbst nie vor einem Einsatz begründen, warum er notwendig, legitimiert und moralisch vertretbar ist. Haben Sie davor Bammel?
Wer Bammel hat, soll nicht Verteidigungsminister werden.

Alle Ihre Vorgänger haben sich schwer damit getan  . . .
. . . zu Recht. Wer so etwas mit Hurra macht, dem würde ich skeptisch begegnen.

Keiner Ihrer Vorgänger hat sich getraut, vor einem Einsatz zu sagen: Dafür ist es gerechtfertigt, den Tod deutscher Soldaten und fremder Zivilisten zu riskieren. Mit Ausnahme des Kosovokrieges hieß es vorher immer: Wir wollen helfen – nicht kämpfen. Würden Sie sich trauen?
Ja, das würde ich. Und ich will das auch nicht auf meinen Vorgängern sitzen lassen. Peter Struck hat von der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch gesprochen, Franz-Josef Jung von Gefallenen und Karl-Theodor zu Guttenberg von kriegsähnlichen Situationen in Afghanistan. Wir müssen bedenken, dass wir aus der Tradition eines in Folge des Zweiten Weltkriegs geteilten Landes kommen. Auch der Sprachgebrauch musste sich entwickeln.

Eine Zeit lang sah es so aus, als müsse die Bundeswehr sich permanent auf neue Einsätze gefasst machen. Der jüngste – die Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika – ist nun auch schon wieder vier Jahre alt. Sind die Kapazitätsgrenzen erreicht?
Nein, wir hätten sogar Kapazitäten gehabt, um uns an der Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen zu beteiligen.

Mit dem Kosovo begann 1999 die neuere Einsatzgeschichte der Bundeswehr. Damals hat Kanzler Schröder das Wort von der „Enttabuisierung des Militärischen“ geprägt. Gibt es nach fast eineinhalb Jahrzehnten großer Einsatzintensität eine Ernüchterung über die Durchschlagskraft des Militärischen?
Richtig ist, dass man mit Militäraktionen nur begrenzte politische Wirkung erzielen kann. Deshalb endet Politik auch nicht mit dem Einsatz von Militär. Ich kritisiere, dass andere Ressorts sich mit Engagement zurückhalten. Die Soldaten sollen dann Brunnen bohren, Regierungen unterstützen und Friedensverhandlungen führen. Das machen wir zum Teil sogar und gar nicht mal schlecht. Aber es ist nicht unser Kerngeschäft. Vernetzung von Außen- und Sicherheitspolitik darf nicht heißen, dass Soldaten mehr machen. Ziel ist, dass Soldaten weniger machen und andere mehr.

Mit welchen Kollegen bereden Sie das?
Vor allem mit Außen-, Innen- und Entwicklungsministerium, aber eigentlich betrifft es fast alle Ressorts. Ein UN-Botschafter hat mir gesagt, dass man heutzutage eher zwei Bataillone Soldaten in ein Land bringen kann als zwanzig Richter. Das stimmt wohl. Mein Fazit ist, dass beim zivilen Teil der vernetzten Außen- und Sicherheitspolitik Nachholbedarf besteht. Der Kosovo-Einsatz war militärisch erfolgreich, aber noch immer sind dort ein paar tausend Soldaten stationiert, weil es nicht gelingt, 60 000 Einwohner zur Ruhe zu bringen. Dort wird jetzt die europäische Rechtsstaatsmission Eulex zurückgeführt, obwohl es um überwiegend polizeiliche Aufgaben geht. Die Soldaten bleiben da – die Polizisten und Juristen gehen weg. Da läuft etwas falsch.