ParteikandidatDejan Perc, der 36 Jahre alte Kreisvorsitzende der Stuttgarter SPD, arbeitet als Leiter der Internetredaktion beim Auto Club Europa (ACE). Außerdem ist er Lehrbeauftragter der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und der Universität Hohenheim. Bei der Landtagswahl am 27. März dieses Jahres erhielt er im Innenstadtwahlkreis 17,5 Prozent der Stimmen. Zum Kreisvorsitzenden der Stuttgarter SPD wurde er am 16. Mai gewählt.

 

Position Perc, der als Mann der Jusos gilt, hat stets seine Skepsis gegenüber dem Bahnprojekt Stuttgart 21 betont und vor seiner Wahl auch kritische Töne gegenüber der bisherigen Politik des SPD-Kreisvorstands angeschlagen. In seiner mit viel Beifall bedachten Rede vor der Wahl zum Kreisvorsitzenden hatte er betont, er wolle in der Stuttgarter SPD eine „einladende Mitmachkultur mit gegenseitiger Wertschätzung“ schaffen. In Zukunft sollten auch die Ortsvereine und die Arbeitsgemeinschaften stärker eingebunden werden.

Auch die Stuttgarter SPD hat sich mehrmals für Stuttgart 21 ausgesprochen. Ist das Schienenprojekt von heute denn noch das Vorhaben, dem die SPD damals zugestimmt hat?

In den Details wahrscheinlich nicht. Die Aussage der Landes- und Kreispartei war immer klar, wir unterstützen dieses Projekt. Ob allerdings heute wieder genau so abgestimmt würde, weiß ich nicht. Es gab keine Mitgliederbefragung, wir haben Delegiertenbeschlüsse.

Stichwort Mitgliederbefragung. Am Donnerstag beginnt der SPD-Landesparteitag in Offenburg. Es gibt eine Initiative von Parteimitgliedern gegen S21, die ihre Mitgliedsbeiträge kürzen wollen, wenn die Basis nicht gefragt wird. Sind Sie für ein Votum?

Ich bin aus unterschiedlichen Gründen gegen eine Mitgliederbefragung. Der Hauptgrund ist, dass es jetzt in der Schlussphase vor der Volksabstimmung am 27. November wenig Sinn macht, wenn wir uns mit uns selbst beschäftigen. Dafür ist die Zeit bis zum 27. November zu knapp, und es ist auch nicht mehr die Zeit der Parteien, sich zu Wort zu melden. Jetzt ist das Volk gefragt. Ein Mitgliederentscheid hätte viel früher stattfinden müssen. Ich glaube auch nicht, das der Vorschlag auf dem Parteitag eine Mehrheit finden wird.

Die Stuttgarter SPD ist in dieser Frage, wie auch bei anderen Themen, etwa dem Rosensteintunnel, gespalten. Sie haben, als Sie im Mai zum Kreisvorsitzenden gewählt wurden, diese Spaltung sozusagen geerbt. Wie wollen Sie die Kluft überwinden?

Nachdem sich über Jahre die Fronten verhärtet haben, ist es in der kurzen Zeit seit meinem Amtsantritt nicht möglich gewesen, alles wieder zu bereinigen. Ich hoffe aber, dass sich der Umgang in der Partei ändert und man auch abweichende Meinungen wieder respektiert. Das war nicht immer so und wird von manchen Genossen auch heute noch nicht so praktiziert. Ich erinnere daran, dass man Stuttgart-21-Gegner abqualifiziert hat, weil sie angeblich nicht richtig informiert seien. Auch das Wort von der blöden Blockiererei ...

... das Herr Schmiedel in die Welt gesetzt hat ...

... passt nicht zum innerparteilichen Umgang miteinander, wie ich ihn mir vorstelle. Ich möchte da einen anderen Weg einschlagen. Ich glaube nicht, dass wir mit Stuttgart 21 gewinnen können. Deshalb muss man das Thema auch nicht über Gebühr strapazieren. Die SPD muss nicht bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten demonstrieren, dass sie für Stuttgart 21 ist.

Verhältnis zwischen Kreispartei und Gemeinderatsfraktion

Wie hat sich denn vor dem Hintergrund des Streits über das Bahnprojekt das Verhältnis zwischen Kreispartei und Gemeinderatsfraktion entwickelt?

Ich pflege einen sehr intensiven und guten Austausch mit der Fraktionsvorsitzenden Roswitha Blind. Wir sind uns einig darin, dass wir nicht grundsätzlich in völlig entgegengesetzte Richtungen marschieren können. Es gibt aber Projekte, wo wir uns nicht einig sind. Ich habe die Bitte an die Fraktion gerichtet, dass sie sich wie die Kreispartei an keiner Kampagne für oder gegen Stuttgart 21 beteiligt, sondern stattdessen für die Volksabstimmung wirbt. Ich hoffe, dass bei den Stadträten auch die Einsicht reift, dass wir uns da ein bisschen zurücknehmen sollten.

Wie werden Sie am 27. November votieren?

Dass ich kein Fan von Stuttgart 21 bin, ist bekannt. Ich halte das Projekt trotz seiner unbestreitbaren städtebaulichen Vorzüge für technisch und finanziell zu riskant. Wir bekommen zu wenig Bahnhof für zu viel Geld. Hinzu kommt, dass aus meiner Sicht das Ziel, mit dem Projekt mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, nicht erreicht werden wird.

Wenn man sich die Reizthemen S21 und Rosensteintunnel anschaut, dann zeigt sich, dass ein Teil der SPD für eine herkömmliche Verkehrspolitik, der andere Teil für neue Mobilitätskonzepte steht. So plädiert die SPD für den Rosensteintunnel und für den City-Boulevard - passt das zusammen?

Die Partei ist mehrheitlich gegen den Rosensteintunnel, die Fraktion dafür. Beim Konzept für den City-Boulevard sind wir glaube ich auf dem richtigen Weg. Wir müssen die Themen Mobilität und Urbanität neu denken und wegkommen von der herkömmlichen Art des Verkehrs hin zu einem lebensfreundlicheren Stadtklima. Das Leitbild der autofreundlichen Stadt hat ausgedient. Diesen Prozess muss die Gesellschaft und die Partei mitmachen. Wir werden zur Kommunalwahl ein Programm aufstellen, das andere Schwerpunkte setzt. Ich glaube, dass dann auch die Fraktion diesen Wandel mitmacht.

Langjährige SPD-Stadträte sehen beispielsweise durch eine ablehnende Haltung zum Rosensteintunnel ihr Lebenswerk in Gefahr. Spielt da nicht auch der Generationenkonflikt eine Rolle?

Es wird immer dann schwierig, wenn man dem alten Adenauer-Zitat folgt, wonach es in der Politik nicht darum geht, recht zu haben, sondern recht zu behalten. Man muss aber den Wandel akzeptieren und andere Vorstellungen zulassen. Das zeugt von Größe. Aber das muss jeder für sich entscheiden.

Welche Themen abseits der Großprojekte will die Stuttgarter SPD denn künftig besetzen, welche Akzente wollen Sie setzen?

Vieles ist da in letzter Zeit leider ein bisschen untergegangen. Ich denke etwa an das Thema sozialer Wohnungsbau. Es gibt in der Stadt einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Auch die Frage, wie wir künftig unsere kommunale Energieversorgung organisieren - Stichwort Stadtwerke - ist derzeit etwas in den Hintergrund gerückt. Zudem stünde es der SPD gut an, sich zu überlegen, wie man denn Mitbestimmung in einer Stadt mit einem hohen Anteil an Migranten organisiert. So dürfen sich viele Migranten an der jetzt anstehenden Volksabstimmung über S21 nicht beteiligen. Ich halte das in einer Demokratie für problematisch, denn zum Beispiel viele Menschen im Nordbahnhofviertel mit seinem hohen Anteil an Migranten gehören ja zu den Hauptbetroffenen des Projekts. Nicht zuletzt setzt sich die SPD auch mit dem Thema Bildung und Schule auseinander. Da müssen wir uns noch stärker einbringen. Und auch in der Sozialpolitik sind wir derzeit nicht richtig präsent, obwohl wir den Begriff sozial im Parteinamen führen.

Verluste bei den Wahlen

Die SPD in Stuttgart hat bei den vergangenen Wahlen durchweg starke Verluste hinnehmen müssen; die Partei kommt kaum noch über die 20-Prozent-Marke hinaus. Wie wollen Sie das ändern?

Ich bin überzeugt davon, dass die Sozialdemokratie künftig wieder eine bessere Rolle spielen wird. Ob wir an die früheren Hochzeiten der SPD anknüpfen können, weiß ich nicht. Wir schaffen es aber nur dann, wenn wir unser Politikverständnis verändern. Wir müssen es schaffen, dass die Bürger künftig viel stärker als bisher Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung von Programmatik und Politik nehmen können. Das ist ein schwieriger Lernprozess.

Sie sind also für die Parteireform, wonach künftig auch Nichtparteimitglieder über programmatische Inhalte mitbestimmen können?

Die Ideen, die es da gibt, finde ich interessant. Ich bin aber kein Befürworter der Beteiligung von Nichtmitgliedern. Es muss das Vorrecht der Mitglieder sein, das Personal und die Programmatik zu bestimmen. Warum sonst sollte ich mich in einer Partei engagieren und Mitgliedsbeiträge entrichten? Das darf man nicht entwerten. Mir geht es vielmehr darum, zunächst einmal das Potenzial unserer 2100 Mitglieder in der Landeshauptstadt abzuschöpfen. Da haben wir noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Wir müssen konkrete Möglichkeiten anbieten, wie sich die Mitglieder einbringen und entscheiden können. Ich wünsche mir dann auch, dass die Fraktion das Votum der Basis nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch mit in ihre Entscheidungen einbezieht.

Wird die SPD denn zur OB-Wahl im Herbst 2011 einen Kandidaten präsentieren, der diese Erneuerung der Stuttgarter SPD auch verkörpert?

Wir werden in jedem Fall einen OB-Kandidaten ins Rennen schicken. Zurzeit sichten wir die infrage kommenden Bewerber. Namen werde ich Ihnen aber nicht nennen.

Welche politische Zielsetzung verknüpfen Sie mit einem eigenen Kandidaten? Wollen Sie unbedingt einen Grünen-OB verhindern?

Wir treten selbstbewusst auf. Aber unsere Botschaft ist vor allem die, dass wir keinen CDU-Oberbürgermeister haben wollen.

In der Vergangenheit sind OB-Kandidaten der SPD mitunter auch im zweiten Wahlgang erneut angetreten. Das hat der CDU zum Sieg verholfen. Können Sie sich vorstellen, dass sich so etwas wiederholt?

Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Ich glaube nicht, dass das noch mal passiert. Gerade im Rückblick auf die letzte OB-Wahl müssen sich auch die Grünen gegebenenfalls Gedanken machen, wen sie im zweiten Wahlgang unterstützen. Schön wäre es, wenn SPD und Grüne Kandidaten präsentieren, die auch für die andere Seite im zweiten Wahlgang wählbar sind.

Haben Sie da konkrete Vorschläge?

In die Personalauswahl der Grünen will ich mich nicht einmischen.

Porträt Dejan Perc

Parteikandidat Dejan Perc, der 36 Jahre alte Kreisvorsitzende der Stuttgarter SPD, arbeitet als Leiter der Internetredaktion beim Auto Club Europa (ACE). Außerdem ist er Lehrbeauftragter der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und der Universität Hohenheim. Bei der Landtagswahl am 27. März dieses Jahres erhielt er im Innenstadtwahlkreis 17,5 Prozent der Stimmen. Zum Kreisvorsitzenden der Stuttgarter SPD wurde er am 16. Mai gewählt.

Position Perc, der als Mann der Jusos gilt, hat stets seine Skepsis gegenüber dem Bahnprojekt Stuttgart 21 betont und vor seiner Wahl auch kritische Töne gegenüber der bisherigen Politik des SPD-Kreisvorstands angeschlagen. In seiner mit viel Beifall bedachten Rede vor der Wahl zum Kreisvorsitzenden hatte er betont, er wolle in der Stuttgarter SPD eine „einladende Mitmachkultur mit gegenseitiger Wertschätzung“ schaffen. In Zukunft sollten auch die Ortsvereine und die Arbeitsgemeinschaften stärker eingebunden werden.