Exklusiv Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, will die marktbeherrschende Stellung Baden-Württembergs beim Holzverkauf beenden. Die bisherige Praxis sei „ein Vertriebskartell“. Die staatliche Forstverwaltung verkauft bislang das Nadelstammholz aus dem Staatswald und aus kommunalen und privaten Wäldern.

Bonn/Stuttgart – - Künftig darf das Nadelstammholz aus dem Staatswald, aus kommunalen und aus privaten Wäldern nicht mehr zentral von der Forstverwaltung des Landes verkauft werden. Durch diese Bündelung von mehr als 60 Prozent des im Südwesten geschlagenen Rundholzes seien die Sägewerksbesitzer einer „sehr hohen Marktmacht“ ausgeliefert, befindet der oberste Kartellwächter Andreas Mundt. Forstminister Alexander Bonde (Grüne) muss jetzt die Vermarktung neu organisieren und dem Kabinett bis Ende September ein Eckpunktepapier vorlegen.
Andreas Mundt Foto: dpa
Herr Mundt, auf das Bundeskartellamt sind die Waldbesitzer in Baden-Württemberg nicht gut zu sprechen. Können Sie das nachvollziehen?
Immer wenn es Veränderungen in einem bestehenden System gibt, entstehen Diskussionen. Das kennen wir auch aus anderen Bereichen, in denen Geschäftsmodelle so angepasst werden sollen, dass sie dem Wettbewerbsrecht entsprechen. Insofern ist sicherlich eine gewisse Unruhe im Land entstanden.
Worin besteht denn der Wettbewerbsverstoß in der bisherigen Praxis bei der Vermarktung von Nadelstammholz?
Das Land Baden-Württemberg vermarktet sowohl das Holz aus dem eigenen Wald als auch das Holz aus den kommunalen und den privaten Wäldern. Würde man eine solche Konstruktion im rein privatwirtschaftlichen Bereich vorfinden, wäre das ein eindeutiges Vertriebskartell. Tatsächlich bündelt das Land Baden-Württemberg den Verkauf von mehr als 60 Prozent des im Land geschlagenen Rundholzes. Dem stehen die einzelnen Sägewerksbesitzer gegenüber, die dadurch einer sehr hohen Marktmacht ausgeliefert sind. Die Aufgabe des Bundeskartellamts ist, dafür zu sorgen, dass hier mehr Wettbewerb stattfinden kann. Uns ist wichtig, dass der Sägewerksbesitzer ein breiteres Angebot mit mehr Anbietern vorfindet, damit er besser über Preise und Bedingungen verhandeln kann.
Die Verbände der Sägewerker, der VSH Baden-Württemberg, der für die kleineren und mittleren Betriebe spricht, sowie der DeSH, der die Großbetriebe in Deutschland vertritt, sind mit den angekündigten Veränderungen aber auch nicht glücklich.
Unser Verfahren wurde ja gerade durch Beschwerden der Sägewerksbesitzer angestoßen. Die Veränderungen bei der Holzvermarktung haben im Ergebnis natürlich Auswirkungen auf alle Marktteilnehmer. Auch die Sägewerksbesitzer werden sich umstellen müssen. Ziel unseres Verfahrens ist ein breiteres Angebot für die Holzabnehmer, das ihnen bessere Verhandlungsspielräume vermittelt, am Ende hoffentlich auch niedrigere Preise. Aber es kann auch aufwendiger für sie werden, das beste Angebot zu finden.
Der VSH hatte gegenüber der Stuttgarter Zeitung geklagt, dass die Wettbewerbshüter auf dem falschen Weg seien, und wollte die Holzvermarktung den Stadt- und Landkreisen übertragen. Der DeSH hingegen will weiterhin eine Bündelung für Großkunden, die damit Vorteile auf dem internationalen Markt hätten.
Daran wird deutlich, dass jeder Betroffene entlang der eigenen Interessenlinie diskutiert. Das Bundeskartellamt aber hat keine eigenen Interessen im Spiel. Wir verfolgen das Ziel, dass Holz in Zukunft wettbewerbskonform und zu besseren Bedingungen vermarktet wird, und zwar für alle. Wir nehmen für uns in Anspruch, die Leitplanken für freien Wettbewerb zu setzen, damit der Markt effizienter werden kann. Denn der Wettbewerb sorgt eigentlich immer für die besten Preise und die höchste Qualität.
Das Bundeskartellamt hat seine anfänglichen Vorgaben im Zuge des Verfahrens verschärft, auch bezüglich der weiteren Aufgaben der Forstbehörden.
Wenn man wettbewerbskonforme Bedingungen in einem Markt durchsetzen will, muss man auch darauf achten, dass die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Wenn der getrennte Vertrieb von Staatswald einerseits sowie Körperschafts- und Privatwald andererseits angestrebt wird, muss auch dafür gesorgt werden, dass diese Trennung nicht auf Umwegen ausgehebelt werden kann, zum Beispiel dadurch, dass die handelnden Personen identisch sind. Das wäre derzeit der Fall, wenn der Landesbeamte, der den Weisungen des Landes unterliegt, gleichzeitig den Vertrieb für die Kommunen organisiert oder als Vorgesetzter der kommunalen Mitarbeiter fungiert.
Auf Unverständnis trifft auch, dass die Kartellwächter bereits die Vorbereitung der Holzernte, etwa die Markierung der Bäume, als wettbewerbsverzerrend bezeichnen.
Die Auszeichnung des Holzes im Wald ist eine ganz wichtige Bedingung dafür, dass Wettbewerb überhaupt stattfinden kann. Die Freiheit, den Preis festzusetzen, bringt einem Holzanbieter wenig, wenn die Angebotsmenge bereits festgelegt ist, denn der Preis ergibt sich auch aus der verfügbaren Menge. Wenn nun bereits die Auszeichnung des Holzes zentralisiert ist, ergibt sich hierüber eine Mengensteuerung und Mengenbegrenzung. Und das hat dann wieder großen Einfluss auf den Preis. Auch hier gilt: wenn die Rahmenbedingungen nicht angeglichen werden, kann über diesen Weg der Preis gesteuert werden, und all die Bemühungen für mehr Wettbewerb würden nicht greifen. Und noch etwas: der Vertrieb von Holz ist keine hoheitliche Aufgabe, das ist eine private, eine wirtschaftliche Tätigkeit. Bayern praktiziert dies übrigens bereits seit Langem so.
Es geht also nicht nur um den Verkauf?
Wir wollen eine insgesamt wettbewerbliche Holzvermarktung in Baden-Württemberg erreichen. Dass wir die vorbereitenden Dienstleistungen dabei ebenfalls im Blick haben, ist damit keine zusätzliche Verschärfung, sondern eine notwendige Anpassung für einen stimmigen Gesamtrahmen.
Mit diesen Vorgaben werden weit reichende Veränderungen in der Forstverwaltung angestoßen, sogar das Landeswaldgesetz muss geändert werden. Trifft das Bundeskartellamt seine Entscheidungen rein aus wettbewerbsrechtlichen Gründen, ohne Rücksicht auf Folgen für Personal und Kosten?
Die Organisation des Holzvertriebs betrifft nur einen eher kleinen Teil der Verwaltung. Die Folgen dürften damit begrenzt sein. Bei der Holzvermarktung bestehen im Übrigen auch zukünftig noch weit reichende Kooperationsmöglichkeiten zwischen Kommunen, Landkreisen und Privatwaldbesitzern. Auch das Land Baden-Württemberg darf weiterhin mit einer Vielzahl kleinerer Waldbesitzer unter 100 ha kooperieren. Es ist also keinesfalls so, dass ein kleiner Waldbesitzer gezwungen wäre, den Verkauf selbst zu organisieren. Das Bundeskartellamt muss den Rahmen dafür setzen, dass Wettbewerb möglich ist, aber dass es auch den kleinen Waldbesitzern hilft. Ich bin überzeugt davon, dass wir da eine ganz gesunde Mischung gefunden haben.

Staatswaldmodell Bis Ende September muss Forstminister Alexander Bonde dem Kabinett ein Eckpunktepapier zur Neuorganisation der Forstverwaltung vorlegen, die den Anforderungen des Bundeskartellamts entspricht. Die Landesforstverwaltung soll künftig nur das Holz aus dem Staatswald vermarkten, kann aber auch Kleinprivatwälder mit Flächen unter 100 Hektar mitbetreuen. Kommunalwald- und Privatwaldbesitzer hingegen dürfen weiterhin kooperieren.

 

Aufgaben Das Bundeskartellamt hat laut Minister Bonde zudem gefordert, dass der höhere Dienst des Landesforstpersonals nur noch hoheitliche Aufgaben an den unteren Forstbehörden in den Landratsämtern wahrnehmen soll. Die wirtschaftlichen Aufgaben in den Nichtstaatswäldern sollen kommunalisiert werden, das Personal des höheren Dienstes ebenfalls.

Gebühren Die
Gebührenhoheit für forstliche Dienstleistungen liegt nicht mehr beim Land, sondern beim Erbringer der Leistungen, neu auch bei privaten Dritten. Es muss kostendeckend kalkuliert werden.