Seit einem Jahr ist Mahmoud Qasem der Flüchtlingsbeauftragte. Seine Arbeit geht nicht aus, denn die Zahlen steigen ständig an.

Weil der Stadt - Mit so einem Beamten rechnen die Flüchtlinge wahrscheinlich nicht, wenn sie in Weil der Stadt ankommen. Mahmoud Qasem ist zwar in Leonberg geboren, seine Eltern kommen aber aus dem Libanon, daher spricht er arabisch. Seit einem Jahr leitet er nicht nur das Bürgeramt, sondern koordiniert auch die Flüchtlingsarbeit der Stadt. „Wir sind super dankbar, dass wir ihn haben“, lobt ihn die Chefin, die Beigeordnete Susanne Widmaier. Seit einem Jahr ist Qasem im Amt.

 
Herr Qasem, wie kommt es bei den Flüchtlinge an, wenn sie auf einen deutschen Beamten treffen, der arabisch spricht?
Sie sind sehr erleichtert, wenn sie merken, dass jemand ihre Sprache spricht. Ich habe es auch schon erlebt, dass Flüchtlinge ohne Grund hier zu mir aufs Amt kommen. Sie brauchen dann einfach jemanden, der ihnen zuhört, sie erzählen mir ihr Leben, da fließen dann auch mal Tränen.
Verstehen Sie alle arabischen Dialekte?
Mein Vater sagt immer: Das libanesische Arabisch ist beim Verständnis das einfachste. Das heißt: mich versteht jeder, ich verstehe aber nicht jeden. Mit Syrern kann ich mich am einfachsten verständigen, das ist ja das Nachbarland. Kommt jemand aus Eritrea, tue ich mich schon schwerer. Aber es klappt.
Gleichzeitig ist deutsch aber auch wichtig, oder?
Klar, wir versuchen schon, so viel wie möglich auf deutsch zu erledigen, damit die Flüchtlinge diese Sprache auch lernen. Aber es gibt eben Momente, in denen ich nur noch in fragende Gesichter blicke. Da erkläre ich es lieber auf arabisch, als dass ich sie wieder wegschicke. Ich erlebe natürlich auch die Kehrseite: Du bist doch einer von uns, heißt es dann, kannst du da keine Ausnahme machen?
Was hat Ihnen im vergangenen Jahr am meisten Kopfzerbrechen bereitet?
Kaum war ich im März 2017 hier, hat drei Wochen später die Unterkunft in der Benzstraße gebrannt. Gleichzeitig hat der Landkreis die Aufnahme-Quoten erhöht. 2017 mussten wir schlussendlich 77 Personen aufnehmen, geplant waren 50. Am meisten Kopfzerbrechen hat mir also die Suche nach ausreichend Unterkünften gemacht.
Wie ist das gelungen?
Zugute kam uns, dass der Landkreis ohnehin Kapazitäten abbauen wollte und wir die Unterkünfte übernehmen konnten. Seitdem ich da bin, haben wir vom Kreis Unterkünfte in der Josef-Beyerle-Straße, der Hindenburgstraße und dem Blannental angemietet.
Wie sieht es 2018 aus?
Stand jetzt werden wir weitere 62 Flüchtlinge aufnehmen müssen. Wir rechnen fest damit, dass wir die Benzstraße 3, die gebrannt hat und derzeit renoviert wird, in diesem Jahr wieder in Betrieb nehmen können. Gelingt das, haben wir kein Kapazitätsproblem.
Das Land startet derzeit den Pakt für Integration und stellt den Kommunen Geld für Integrationsmanager zur Verfügung. Wird damit Ihre Arbeit überflüssig?
Nein, ich bleibe weiterhin für die Organisation der Unterkünfte zuständig und bin der Ansprechpartner der Stadtverwaltung für alle Stellen, etwa den AK Asyl. Die Integrationsmanager kümmern sich um drei wichtige Schritte: Sprache, Arbeit, Wohnung.
Wie klappt das bis jetzt?
Höchstens ein Drittel der hier wohnenden Flüchtlinge hat Arbeit. Arbeit finden vor allem diejenigen, die zwar noch gar nicht so lange hier sind, aber schon gut deutsch sprechen. Mit Wohnungen wird es zunehmend schwieriger. Wenn früher 50 Flüchtlinge pro Jahr in eine eigene Wohnung ausgezogen sind, sind das heute vielleicht noch zehn, die eine Wohnung finden. Erfolg misst sich da an kleinen Schritten.
Zum Beispiel?
Ich denke an einem Mann im Blannental. Der hatte sich schon immer sehr um die Sauberkeit dort gekümmert, da habe ich vorgeschlagen: Komm, warum stellen wir ihn nicht als Reinigungskraft ein? Seitdem schafft er nachmittags im Blannental als Reinigungskraft, geht vormittags zur Schule und lernt deutsch – und ist super happy.