Macht es Stuttgart Neuankömmlingen schwer oder leicht?
Stuttgart hat es mir schwer gemacht, aber das hat mir auch gutgetan. Als ich neu in der Stadt war, wurde es gerade Winter, und ich saß oft allein in meiner Wohnung. Es hat lange gedauert, bis ich in Stuttgart Teil von etwas wurde.
In Stuttgart kennt man Sie als Chef des Café Galao und als Mitorganisator des Marienplatzfests. Dabei wollten Sie eigentlich nicht Barbetreiber, sondern Priester werden.
Ich habe in Tübingen katholische Theologie studiert, genau wie mein damaliger Freund. Er ist dann Priester geworden, ich habe mich damals gegen diesen Weg entschieden, nicht nur, weil ich schwul bin. Das hierarchische System in der Kirche, genauso wie die unabänderliche Morallehre – das ging für mich irgendwann nicht mehr mit meinen Überzeugungen zusammen.
Beim Christopher Street Day ist der Umgang der Kirche mit Schwulen und Lesben immer wieder thematisiert worden. Haben Sie der Kirche gegenüber damals offen gezeigt, dass Sie schwul sind?
Jein. Ich war am katholischen Wilhelmsstift. Wir haben uns dort prinzipiell für die Rechte von Schwulen in der Kirche eingesetzt – aber nicht für unsere eigenen.
Dann hat die Kirche nicht verstehen wollen?
Ihre Signale waren zwiespältig. Einerseits zeigte die Kirchenleitung großes Verständnis. Man richtete einen Arbeitskreis Homosexualität ein, es gab ein Faltblatt und sogar ein Treffen mit dem Bischof. Bis zu einem gewissen Grad zeigte die Kirche großes Verständnis, aber es gab eine Linie, die aufzeigte: hier endet unser Verständnis.
In welchen Situationen haben Sie diese Haltung konkret erlebt?
In meiner beruflichen Arbeit bei den katholischen Pfadfindern. Einer der Leiter bei den Pfadfindern war auch schwul. Es war alles gut, er durfte das auch sein, aber er durfte das auf keinen Fall öffentlich sagen. So etwas habe ich oft erlebt in der Kirche, es hat mich mürbe gemacht. Mein damaliger Freund führt heute zwei Leben als schwuler Priester – er trennt beides voneinander. Ich könnte das nicht. In der Kirche soll es um Wahrhaftigkeit gehen, da musst du deine Persönlichkeit zeigen. Alles andere ist verlogen.