Sie sind in einer Kleinstadt auf der Ostalb aufgewachsen. Empfinden Sie Stuttgart als tolerante Stadt?
Eigentlich schon. Aber die Toleranz stößt hier an ihre Grenzen, wie überall auf der Welt. Wir haben in Stuttgart das Glück, dass wir wohlhabend sind. Uns geht es gut, das macht es uns leichter, liberal zu sein. Der Reichtum der Stadt trifft auf eine Grundeinstellung: Viele Leute arbeiten hart und zäh und können notfalls auch karg leben. Das Pietistische steckt den Menschen hier in der Gegend immer noch in den Knochen.
Ich finde, das hat sich ein wenig gelockert.
Teilweise mag das stimmen. Dass man überall im Sommer Tische und Bänke an jeder Straßenecke sieht, gehört dazu. Als wir Anfang Juli zum zweiten Mal das Marienplatzfest veranstaltet haben, sind wir regelrecht überrannt worden. Es kamen Opas und Omas, viele Kinder und außerdem eine Menge junge Leute. Die Besucher haben gemerkt, dass das ein Stadtfest ist, das nicht nach Schema F läuft.
Vor seinem Umbau war der Marienplatz verbaut und verratzt – zwar nicht so vom Verkehr dominiert wie der Charlottenplatz, aber weit davon entfernt, ein Szenetreff zu werden.
Der Stuttgarter Süden ist extrem vielfältig, er war es eigentlich schon immer. Hier leben viele Serben und Kroaten, Richtung Karlshöhe sieht man herrschaftliche Häuser, und rund um die Liststraße im Heusteigviertel gibt es alternative Ecken. Eigentlich brauchte es nur einen Ort, der für dieses bunte Publikum eine Bühne schafft. Wir haben mit dem Café Galao vermutlich einiges mit dazu beigetragen, inzwischen sind viele andere Bars und Restaurants dazugekommen. Es tut uns allen gut, dass der Platz jetzt so belebt ist.
Wie sind Sie überhaupt zur professionellen Gastronomie gekommen? Mit den Deko- und Aushilfstätigkeiten bei der Koh-Bar am Charlottenplatz werden Sie kaum Ihr Leben finanziert haben.
Ich bin damals in die Partyreihe „Session“ mit eingestiegen, aber wir haben bei den Partys jedes Mal draufgelegt, das war eine Leidenschaft, aber keine Sache, um Geld damit zu verdienen. Als die Koh-Bar nach einiger Zeit dicht gemacht hat, sind wir mit unserer Partyreihe durch die Stadt getingelt. Die „Session“ war ein Wanderzirkus. Später kam meine eigene Partyreihe dazu, der „Silent Friday“.