Das nehme ich genauso wahr. Aber Stuttgart sehnt sich nach Neuem und Unkonventionellem. Ich glaube, die Szene verändert sich gerade wieder, es kommen einige Leute beispielsweise aus Berlin zurück in die Stadt. Stuttgart war schon immer offen für Besonderes: Als ich neu in die Stadt kam, liefen gerade die Gullypartys.
Bitte?
Gullypartys. Man ist damals durch einen Gully in die Kanalisation eingestiegen und hat im Untergrund gefeiert. Das war irgendwo auf dem Nordbahnhofgelände, und es war natürlich vollkommen illegal.
Inzwischen bewegt sich die Stadt und fördert manchmal die alternative Szene, beispielsweise wenn es um die Zwischennutzung von Gebäuden geht – wie beim Wilhelmspalais.
Die institutionelle Unterstützung ist das eine – es gibt so viele Privatinitiativen, die Geld und Räume brauchen. Das finde ich viel wichtiger. Es nervt auch, erst einen Verein gründen zu müssen, um überhaupt förderungswürdig zu sein.
In den vergangenen Jahren hat die Kleine Tierschau mit ihrem Zelt im Sommer der Marienplatz bespielt. In diesem Jahr bekam sie keine Genehmigung dafür, unter anderem, weil sich Anwohner beschwert hatten.
Ich habe die durchaus wohlwollende Diskussion im Bezirksbeirat verfolgt und war deshalb erstaunt, dass das Zelt nicht wieder genehmigt wurde. Das Thema sehe ich zwiespältig: Ich finde, ein Platz muss offen sein für alle – und das war er in den vergangenen Jahren nur bedingt, weil es rund um das Zelt einen abgetrennten Bereich gab.
Welche Erfahrungen haben Sie als Cafébetreiber und Veranstalter des Marienplatzfests mit der Stadt gemacht?
Ich glaube, die Stadt sieht durchaus, wenn man sich ehrlich bemüht. Andererseits habe ich bislang immer alles ohne Fördergelder auf die Beine gestellt. Ich habe ein ganz anderes Rezept für unser Café: Wir haben das, was wir machen, mit Liebe gemacht. Ich weiß, dass sich so ein Bekenntnis heute merkwürdig anhört, aber es ist so.