Der deutsche Handball steht vor zwei richtungsweisenden Spielen. Gegen Polen geht am am 7. und 14. Juni um die Qualifikation zur WM 2015 in Katar – und auch um die Zukunft des Bundestrainers Martin Heuberger.

Sport: Joachim Klumpp (ump)
Stuttgart – - Der deutsche Handball steht vor zwei richtungsweisenden Spielen gegen Polen. Am Samstag in Danzig und eine Woche später in Magdeburg geht es um die Fahrkarte zur Weltmeisterschaft 2015 – und die Zukunft des Bundestrainers Martin Heuberger (49).
Herr Heuberger, Hand aufs Herz, wo sitzen Sie lieber: auf der Trainerbank der Nationalmannschaft oder als Diplom-Verwaltungswirt im Landratsamt Offenburg?
Ich habe große Freude an meinem alten Job gehabt, aber ich sitze lieber auf der Trainerbank, ganz klar. Es macht natürlich viel Spaß, da die Dinge so zu entwickeln, dass wir die Qualifikationsspiele gegen Polen erfolgreich gestalten.
Damit Sie auf der Trainerbank bleiben, sollte tunlichst die WM-Qualifikation gewonnen werden. Was stimmt Sie optimistisch, dass es auch klappt?
Der Siegeswille und das Ziel, in Katar unbedingt dabei sein zu wollen; darauf ist die gesamte Mannschaft fokussiert.
Die Mannschaft ist in der Pflicht, aber der ganz große Druck lastet letztendlich auf Ihnen. Wie gehen Sie damit um?
Als Trainer steht man immer unter Druck und ich bin ein erfolgsbesessener Mensch. Klar ist das eine größere Belastung, aber ich stelle mich der Aufgabe, nicht zuletzt, weil ich Riesenpotenziale in der Mannschaft sehe. Ich muss sie jetzt dahin bringen, dass wir die auch ausschöpfen.
Nach dem Verpassen der EM im Januar hagelte es Kritik von allen Seiten, versuchen Sie diese auszublenden?
Der Kritik stelle ich mich. Im Leistungssport ist es einfach so, dass bei ausbleibendem Erfolg auch über den Trainer gesprochen wird. Und ich wusste bei meinem Antritt, dass die Situation nicht einfach ist, weil wir in einem Umbruch waren und auch noch sind. Wir haben momentan eben nicht die überragenden Einzelspieler, wie Mikkel Hansen oder Nikola Karabatic, die ein Spiel mal alleine entscheiden können. Aber es ist auch ein besonderer Reiz, das Ganze taktisch so vorzubereiten, dass wir die individuellen Qualitäten, die wir im Kader haben, ins Mannschaftsspiel integrieren und so zum Erfolg kommen.
Wie konnte es überhaupt zur verpassten EM-Qualifikation kommen? Bei allem Respekt: in Dänemark haben Tschechien und Montenegro, an denen das DHB-Team gescheitert ist, keine Bäume ausgerissen.
Beim Turnier nicht. Aber es ist eben ein Unterschied, ob ich einzelne Qualifikationsspiele bestreite oder bei der EM fast jeden Tag bestehen muss. Und ich habe den Eindruck, wenn’s gegen Deutschland geht, ist das für den Gegner immer eine besondere Motivation. Dass es schief gegangen ist, hängt vor allem damit zusammen, dass wir das erste Spiel zuhause in Mannheim gegen Montenegro verloren haben. Das war der Knackpunkt. Das Problem dabei war, dass die Spieler davor in englischen Wochen eine hohe Belastung hatten und wir uns erst drei Tage vorher getroffen haben. Zudem war die Mannschaft nicht hundert Prozent fokussiert auf die Aufgabe. Aber ich hoffe, dass wir alle aus solchen Fehlern auch lernen.
Auf was haben Sie denn in der Vorbereitung speziell wert gelegt?
Beim ersten Kurzlehrgang in Hennef haben wir uns speziell mit dem Angriffsspiel beschäftigt, weil ich glaube, dass wir da mehr Defizite haben als in der Abwehr. Bei den anderen Maßnahmen müssen wir alles noch mal querbeet aufarbeiten. Zuletzt in Baiersbronn haben ja noch die vier Champions-League-Teilnehmer gefehlt, die erst gestern zur unmittelbaren Vorbereitung stießen. Deshalb haben wir dort speziell in Kleingruppen gearbeitet und versucht, Michael Kraus verstärkt zu integrieren. Der hat das im April bei seinem Comeback gegen Ungarn schon gut gelöst, auch wenn er taktisch vielleicht noch gewisse Defizite hatte.
Das heißt, den Göppinger Michael Kraus sehen Sie schon als Leistungsträger und nicht nur als Ergänzungsspieler?
Mimi Kraus ist genauso wichtig wie jeder andere Spieler. In der Mannschaft hat jeder seine Rolle, die er bestmöglich erfüllen soll. Aber ich bin überzeugt von seinen individuellen Qualitäten, und das ist das, was der Mannschaft auch ein Stück weit gefehlt hat. Deshalb kann er eine ganz wichtige Stütze sein.
Der zweite Comeback-Spieler ist der Hamburger Torwart Johannes Bitter. Warum?
Jogi Bitter ist nach wie vor sicher einer der weltbesten Torhüter. Wenn man die Möglichkeit hat, so jemand vom Comeback zu überzeugen, sollte man das tun. Nicht nur wegen seiner handballerischen Qualitäten, sondern weil er mit seiner Ausstrahlung und Autorität gegenüber der Mannschaft, besonders den jungen Spielern, noch den einen oder anderen Impuls geben kann. Und er wird – mit den anderen Torleuten zusammen – sicher auch die Qualität unserer Abwehr nochmals steigern können. Das ist für mich ein wichtiges Pfund.
Sind Sie denn froh, dass Bitter der einzige HSV-Spieler im Kader ist, damit sich die Unruhe dort um die Lizenz nicht zu sehr auf die Nationalmannschaft überträgt?
Es ist für ihn sicher nicht förderlich, weil ihn die Situation natürlich beschäftigt. Aber ich denke, dass er das bei der Nationalmannschaft ein Stück weit abstreift und so eine optimale Leistung zeigen kann. Deshalb sehe ich die Situation als nicht so hinderlich an, auch wenn sie für den Spieler unbefriedigend ist.
Ein Lizenzentzug wäre auch für den deutschen Handball nicht förderlich?
Natürlich tun solche Schlagzeilen dem Handball insgesamt nicht gut. Aber ich bin da der falsche Ansprechpartner, deshalb möchte ich mich nicht unbedingt zu einem Urteil hinreißen lassen. Sicher wollen wir, dass besonders die Nationalspieler auch international spielen, da war der HSV zuletzt immer eine gute Adresse.
Kann man denn sagen, dass Sie nun Ihren Wunschkader zusammen haben?
Natürlich hatten die Champions-League-Teilnehmer mit dem Final Four in Köln vorab eine enorme Belastung, das müssen wir auch trainingstechnisch so steuern, dass die Spieler gegen Polen wieder frisch sind. Ich bin aber überzeugt, dass wir die besten Spieler nominiert haben, auch die Atmosphäre in der Mannschaft passt.
Noch ein Wort zu Kapitän Oliver Roggisch, ist er nur noch der Grüß-Gott-Onkel?
Es ist schade, dass er das letzte halbe Jahr sportlich bei den Rhein-Neckar Löwen keine Rolle mehr gespielt hat. Deshalb ist es auch schwierig, ihn bei der Nationalmannschaft zu integrieren. Er wird in Danzig sicher dabei sein, weil Oli Roggisch auch neben dem Feld eine wichtige Größe und Persönlichkeit ist. Ein gutes Bindeglied zwischen Trainer und Team mit seiner positiven Einstellung. Deshalb ist er im Kader, aber wahrscheinlich nicht unter den ersten 16 auf dem Feld, wenn alles normal verläuft. So bin ich mit ihm verblieben – und er akzeptiert das auch.
Welche Rolle spielt denn das neue Präsidium mit dem für den Spitzensport zuständigen Bob Hanning und Präsident Bernhard Bauer an der Spitze, die versuchen, nah an der Mannschaft zu sein?
Beide haben im Vorfeld einige Gespräche mit der Mannschaft geführt und nochmals auf die Bedeutung der Spiele für den deutschen Handball hingewiesen, das fand ich eine gute Sache. Es war auch ein wichtiger Baustein, zum Beispiel die Sportchefs von ARD und ZDF einzuladen, um den Spielern begreiflich zu machen, welches Potenzial im deutschen Handball steckt. Unmittelbar auf das Sportliche haben sie keinen Einfluss. Es geht aber auch darum, im Umfeld alles für den Erfolg zu tun, und da haben sie schon eine Plattform geschaffen, auf der wir leistungsorientiert arbeiten können. Letztendlich sind wir jetzt gefordert, dann bin ich sicher, dass wir wieder bessere Zeiten erleben können.
Ist es denn ein Vor- oder Nachteil, die Polen aus dem Eff-Eff zu kennen?
Fakt ist, dass Polens Trainer Michael Biegler als Deutscher unsere Spieler sehr gut kennt – aber umgekehrt wir auch seine. Ich glaube nicht, dass wir auf den großen Unbekannten treffen werden.
Denken Sie denn überhaupt über die zwei Spiele hinaus?
Nein, bei mit liegt der Fokus voll auf den beiden Spielen. Was danach kommt, wird man sehen.
Sie haben sich also noch keinen Reiseführer für Katar besorgt?
Nein, da haben wird ja noch ein halbes Jahr Zeit. Man sollte den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen.