Vorsicht beim Staatstrojaner, rät der Mainzer Rechtsprofessor Matthias Bäcker. Er sieht die geplanten Sicherheitsgesetze im Land kritisch. Dafür nennt er Gründe.

Stuttgart -

 
Ach, das ist so eine Sprachhülse mit wenig Aussagekraft. Der Staat muss natürlich die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten. In der gegenwärtigen Stimmungslage fehlt es aber an Sensibilität für die Risiken, die mehr Befugnisse für die Polizei mit sich bringen. Was fehlt, ist eine vernünftige Kosten-Nutzen-Analyse: Wie groß sind der Aufwand und Freiheitseinbußen durch die zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen, und was wird tatsächlich damit gewonnen? Da darf man Fragezeichen setzen.
Vielleicht besteht sicherheitspolitisch Nachholbedarf.
Baden-Württemberg hat derzeit, was verdeckte Überwachungen angeht, eines der liberalsten Polizeigesetze in Deutschland. Mit dem, was von den Plänen des Innenministers bekannt ist, wird es zu einem der schärfsten.
Die Grünen, die Partei des Ministerpräsidenten, melden hinter vorgehaltener Hand Bedenken an.
Es zwingt niemand den Gesetzgeber dazu, im Polizeirecht bis an die Grenzen des Verfassungsrechts zu gehen. Das ist eine politische Entscheidung. Die aktuellen Forderungen nach schärferen Gesetzen werden ja mit der Terrorgefahr begründet. Es ist aber so, dass schon jetzt das Strafrecht Handlungen weit im Vorfeld terroristischer Anschläge unter Strafe stellt. Wer Heizöl kauft, weil er damit eine Bombe bauen will, begeht eine Straftat, sogar eine ziemlich schwere. Ebenso wer auch nur versucht, zu einem Terrorcamp ins Ausland zu reisen, oder wer Geld sammelt, damit ein anderer ausreisen kann.
Das bedeutet, dass bei der Terrorismusbekämpfung die Instrumente der Strafprozessordnung schon weit in den präventiven Bereich hineinreichen?
Der Verdacht auf die genannten Vorfeldstraftaten begründet bereits jetzt die Möglichkeit, zum Beispiel eine Telefonüberwachung in Gang zu setzen, dazu braucht man nicht das Polizeirecht. Wenn man mit der Überwachung noch früher an einem Punkt ansetzen kann, wo jemand nur in der falschen Moschee betet und die falschen Leute kennt, dann droht die Überwachung völlig ineffektiv zu werden: wenig Erkenntnisse bei sehr hohem Ressourceneinsatz.
Die heimliche Onlinedurchsuchung von privaten Computern ist in der Strafprozessordnung noch nicht geregelt, soll jetzt aber ins Polizeigesetz des Landes geschrieben werden. Das betrifft den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung.
Ja, aber nicht nur das. Die Platzierung einer Überwachungssoftware auf dem Computer wirft schwerwiegende Fragen auf. Ich weiß von einem Fall, da wurde die Zielperson auf dem Flughafen in eine Zollkontrolle verwickelt und dabei unbemerkt ein Trojaner auf dessen Laptop aufgespielt. Das ist zumindest informationstechnisch in Ordnung. Die Polizei benutzt einen Stick und überträgt die Überwachungssoftware auf das Gerät. Problematisch wird es, wenn dies über das Netz geschieht. Polizei oder Nachrichtendienste horten in diesem Fall systematisch Sicherheitslücken in Betriebssystemen und nutzen diese, um über das Netz den Trojaner auf dem Computer zu platzieren. Mit diesem Informationsschatz werden die Sicherheitsorgane selbst zum Ziel von kriminellen Hackern.
Was kann passieren?
Jemand hackt das Bundeskriminalamt oder die baden-württembergische Polizei, um sich die dort vorliegenden Informationen über Schwachstellen von Betriebssystemen zu besorgen, und benutzt sie dann für kriminelle Zwecke. Die Polizei wird also selbst zum Angriffsziel von Hackern mit krimineller Zielsetzung. Und weil alle Menschen Fehler machen, wird so ein Angriff irgendwann erfolgreich sein. Das kann im schlimmsten Fall Menschenleben kosten, etwa wenn dann über diese Schwachstellen Rechner in Krankenhäusern oder Infrastruktureinrichtungen angegriffen werden.