Wie wird aus einer Idee eine der meistgeklickten Seiten im Online-Wahlkampf? Der Macher des Merkelraute-Tumblrs berichtet, warum seine Idee im Netz erfolgreich war – und weshalb Parteien diese Mechanismen nur schwer für sich nutzen können.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Zumindest unter Intensivnutzern des Internets sowie unter Journalisten sind Meme wie der Merkelraute-Blog das dominierende Phänomen des Bundestagswahlkampfs im Netz. Es gab die AfD-Politikerin Michaela Merz („Mitgründerin des deutschen Internet“), das von Angela Merkels Spruch inspirierte Hashtag #Neuland und den „Pofalla beendet Dinge“-Blog auf der Blog-Plattform Tumblr. Das Netz empörte sich über Bilddopplungen im FDP/NPD-Wahlspot, schmunzelte über Andrea Nahles’ Gesangseinlage im Bundestag, folgte nach dem TV-Duell der Schlandkette bei Twitter und sah sich Fotomontagen von der Merkelraute und dem Stinkefinger von Peer Steinbrück an.

 

Aus dieser Perspektive war der Bundestagswahlkampf 2013 ein Meme-Wahlkampf. Wir haben deshalb den Macher des Merkelraute-Tumblrs, den Düsseldorfer Grafik- und Webdesigner Peter Schildwächter angerufen.

Wie kam es dazu, dass Sie eines der erfolgreichsten Meme im Online-Wahlkampf 2013 erstellten?

Peter Schildwächter hat den Merkelraute-Tumblr initiiert. Foto: privat
Ich habe bei Twitter die Fotomontage des Merkel-Plakats mit Mao gesehen; meines Wissens nach war das das erste Motiv mit Merkelraute. Danach entdeckte ich zwei Fotomontagen mit Mr. Burns von den Simpsons. Zwischenzeitlich hatte Mario Sixtus auf Twitter gefragt, ob es zu dieser Idee keinen Tumblr gibt. Weil ich in dieser Angelegenheit recht fit bin und das inhaltlich interessant fand, habe ich ein paar Motive zusammengestellt und das an Mario Sixtus geschickt. Der hat es dann an seine knapp 60 000 Follower verbreitet und damit den Stein ins Rollen gebracht.

Ist das der typische Ablauf, wie ein Tumblr populär wird?

Es braucht zunächst eine Idee, die zündet. Der Tweet mit der Mao-Fotomontage und anschließend das Mr.-Burns-Motiv war so eine Idee. Wenn daraus ein Tumblr wird, muss das natürlich noch jemand mit Einfluss im Social Web weiterverbreiten.

Mario Sixtus war in diesem Fall also der wichtigste Faktor?
Wer so etwas verbreitet, ist letztlich irrelevant. Die meisten Besucher kamen via Facebook, deutlich weniger über Reddit, Twitter und klassische Nachrichten-Websites. Als Der Postillon meinen Tumblr erwähnt hat, brachte das noch einmal viele Klicks. Generell ist wichtig, dass die Idee witzig und vor allem aktuell ist. Vor dem Merkelraute-Tumblr wurde ja schon über das Merkel-Großplakat in Berlin diskutiert.
So mancher Wahlkämpfer schaut neidisch auf den Erfolg von Memen wie der Merkelraute. Kann man so etwas planen?

Sich den Anlass selbst auszudenken, funktioniert nicht. Bei sehr aktuellem Anlass würde man schon fitte Leute finden, die das Potenzial erkennen und so einen Tumblr sehr flott umsetzen. Ich bin sicher, dass viele Agenturen sich fragen: Wie können wir so einen Hype selbst starten? Aber das funktioniert schon deshalb kaum, weil Meme ja niemals rein positive Geschichten für den Protagonisten sind. Da schwingt immer auch Spott mit.

Sind Meme der Output eines überschaubaren Kreises kreativer Viel-Internetnutzer?
Es gibt nur wenige, die sehr viel im Netz unterwegs sind und in solchen Sachen fit sind. Meme entstehen, und mir fällt wirklich kein besseres Wort dafür ein, durch die ‚Netzgemeinde’. Eine Agentur wird das kaum für eine Partei hinbekommen.
Haben Sie denn Merkelraute-Einreichungen von anderen Parteien bekommen?
Ich hatte viele Einreichungen von der Piratenpartei; vielleicht auch von Wahlkämpfern anderer Parteien – und von Firmen, die relativ dreist Werbung für sich gemacht haben. Insgesamt habe ich etwa 300 Einreichungen nicht veröffentlicht: die passten nicht zum Konzept oder waren schlecht. Ganz viele Sachen kamen zudem doppelt und dreifach.
Mir ist noch kein Interview untergekommen, in dem sich einer der Initiatoren jüngerer Meme persönlich äußert. Von den Parteien selbst werden die Meme kaum selbst gestartet worden sein. Warum von anonymen Einzelpersonen?
Ich kenne aber sonst keinen, der einen derart viralen Tumblr gestartet hat. Das ist auch kein Wunder: Wegen Copyright-Fragen ist es in Deutschland möglicherweise heikel, Inhalte auf einem Tumblr zu verbreiten. Deshalb bleiben die meisten Betreiber anonym.
Glauben Sie, dass Meme wie Ihr Merkelraute-Tumblr Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben?

Die sorgen vielleicht für ein wenig mehr Interesse an Politik. Aber selbst wenn ich Motive veröffentliche, bei denen Merkel nicht gut wegkommt: Ihre Gegner finden es witzig und posten es; Merkels Befürworter finden es blöd und verbreiten es nicht weiter. Insgesamt ändert das nichts am Wahlergebnis. Meme sind einfach eine sehr unterhaltsame und schöne Begleiterscheinung des Wahlkampfs.