Stuttgarter Gastronomen klagen, dass die Verwaltung zu hart gegen Clubs vorgeht. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer weist die Vorwürfe zurück und kündigt einen Runden Tisch an.

Stuttgart – Im vergangenen halben Jahr stand die Gastronomie in Stuttgart im Fokus: Die Polizei, der Zoll und verschiedene städtische Ämter kontrollierten Clubs und Bars im laufenden Betrieb, die Betreiber beklagten sich daraufhin über das „gastronomiefeindlichste Klima in Stuttgart seit Jahren“. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer über die Gründe für die Kontrollen, ein mögliches Alkoholkonsumverbot auf öffentlichen Plätzen und seine Vorliebe für laute Musik.
Herr Schairer, Sie sind Musiker, ein Sänger und Keyboardspieler. Haben Sie denn keine Angst, dass Ihre harte Gangart gegen Stuttgarts Clubs die hiesige Liveszene weiter ausdünnen wird?
Da liegen Sie völlig falsch. Dass wir in dieser Stadt eine fetzige Gastronomie haben und wir vielleicht noch mehr junge Liveorte gebrauchen könnten, unterstreiche ich sofort. Ich finde es gut, was hier derzeit passiert, und möchte nicht in die Zeit meiner Jugend zurückversetzt werden, in die 60er oder 70er Jahre, als es drei bis vier Clubs gab und ansonsten abends und am Wochenende die Gehwege hochgeklappt wurden.

Wie kommt es dann zu der Flut an Kontrollen, wenn Sie die Clubszene so toll finden?
Die Stuttgarter Innenstadt ist nicht nur zum Einkaufen und für Veranstaltungen da, hier leben auch viele Tausend Menschen. Das passt nicht immer zusammen. Unser Ziel ist ein konfliktfreies Zusammenleben. Es gibt gewisse Missstände, die die Gastronomen selbst auch beklagen, und zwar vor allem auf den öffentlichen Straßen und Plätzen.

Können Sie die Missstände präzisieren?
Wir haben eine extreme Vermüllung in der Innenstadt. Unsere Abfallbeseitigung macht einen richtig guten Job, die ist bis morgens um 6.45 Uhr unterwegs und befreit die Stadt am Wochenende von bis zu elf Tonnen Müll. Die Hauswände werden als Toiletten benutzt, ob am Josef-Hirn-Platz, an der Theodor-Heuss-Straße oder im Hospitalviertel. Mancherorts gibt es erhebliche Lärmbelästigungen, gerade im Hospitalviertel, wo viele Leute wohnen. Teilweise tragen auch die Clubs durch Außenlautsprecher zu diesem Lärm bei. Das gab es früher nicht. Häufig treffen Streetworker und Polizei alkoholisierte Jugendliche auf Straßen zu Zeiten an, da sollten sie schon längst daheim sein. In den Clubs dagegen, da funktioniert der Jugendschutz hervorragend.

Die von Ihnen genannten Probleme gehen mit einer Ausnahme nicht direkt von den Clubs aus.
Das stimmt. Unser Problem ist nicht der Club an sich. Wir finden es gut, dass neue Formen des Feierns ausprobiert werden. Die müssen aber in Übereinstimmung mit Bauvorschriften, mit feuerpolizeilichen Vorschriften und gaststättenrechtlichen Genehmigungen sein. Wir wollen ja auch kein Unglück haben. Durch die Abschaffung der Sperrzeiten, die früher eine gewisse Grenze dargestellt haben, ist ein Clubleben entstanden, das die ganze Nacht andauert. Dazu haben wir als Metropole einen großen Zulauf aus der Region. 50 Prozent der nächtlichen Besucher, wenn nicht sogar mehr, sind Menschen, die nicht in der Stadt wohnen und sich über die Konsequenzen für die Anwohner keine Gedanken machen. Basierend auf den Erkenntnissen, die wir in den Kontrollen gewonnen haben, haben wir einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, mit dessen Hilfe wir jetzt die Spitzen abschneiden wollen. Das ist aber kein Großangriff gegen die Clubszene, im Gegenteil.

Wie wollen Sie diese Spitzen in der Praxis abschneiden?
Wir brauchen innovative Konzepte, zum Beispiel für den Müll und für öffentliche Bedürfnisanstalten, weil am Wochenende Zehntausende in der Innenstadt sind. Das verschafft unsere Infrastruktur nicht.

Diese Vermüllung der Innenstadt hat aber auch mit Einrichtungen wie der Eislaufbahn auf dem Schlossplatz zu tun, an der gefühlt ab Ende August Glühwein auf dem Schlossplatz verkauft wird.
Jetzt übertreiben Sie aber. Die Probleme der Innenstadt liegen doch nicht an einer Eislaufbahn, sondern an den vielen Menschen, die sich im Laufe des Abends in der Innenstadt drängen.

Diese jungen Menschen hängen aber doch im Freien herum und nicht in den Clubs.
Das Leben findet im öffentlichen Raum statt. Die Leute gehen von Club zu Club. Sie gehen vom Bosch-Areal in die Innenstadt und dabei zwangsläufig durchs Hospitalviertel. Die dadurch entstehenden Probleme muss man in den Griff bekommen. Wir überlegen uns weitere Dinge, die auch von den Clubs angestoßen wurden, etwa Pfandpflicht für Flaschen. Wir überlegen, ob wir die Auflagen für die Müllbeseitigung der Gastwirtschaften ändern.

Können Sie das an einem konkreten Beispiel festmachen?
Nehmen Sie die Szene am Hans-im-Glück-Brunnen. Das ist eigentliche eine tolle Geschichte. Da stehen zweihundert, dreihundert Menschen mit ihren Flaschen draußen. Man muss mit den Clubs dort eine Vereinbarung treffen, dass die dafür sorgen, dass nach dem Feiern aufgeräumt wird. Wir brauchen mehr Präsenz von Polizei und städtischem Vollzugsdienst.

Die Klagen über die Häufung der Kontrollen sind aber nun mal da. Wieso schreitet die Verwaltung erst jetzt so massiv ein?
Wegen der Einsätze um Stuttgart 21 waren alle Ordnungsbehörden in den vergangenen Jahren nicht mehr in der Lage, die Gaststätten zu kontrollieren. Jetzt haben wir uns durch die Kontrollen wieder auf den neuesten Stand gebracht. Die Polizei hat ein paar Sondereinsätze gefahren, gemeinsam mit dem Zoll und dem Ordnungsamt. Die Aktionen wirken vielleicht heftig. Die Schwarzarbeit können wir aber nicht vormittags kontrollieren.

Konnte bei den Kontrollen in Bezug auf die Schwarzarbeit irgendetwas festgestellt werden?
Da kommt immer etwas dabei heraus, sonst würden die Kollegen nicht kontrollieren.