Jan Josef Liefers ermittelt nicht nur als Gerichtsmediziner Boerne im „Tatort“. Jetzt spielt er im ZDF einen Rechtsanwalt, der dem Verbrechen auf der Spur ist. Dabei steht er selbst gar nicht so auf Krimis.

Stuttgart – - In den vergangenen Jahren hat Jan Josef Liefers besonders als Gerichtsmediziner Boerne im „Tatort“ aus Münster die Zuschauer für sich eingenommen.
Herr Liefers, was hat Sie gereizt, die Rolle des Rechtsanwalts Vernau zu übernehmen?
Vernau ist ein kleiner Windhund, der dem Leben elastisch und verspielt begegnet. Er hat Prinzipien und ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, ist aber nicht durchdrungen von Sendungsbewusstsein. Solche Figuren sind selten in der deutschen Krimilandschaft – viele Ermittler sind eher pflichtbewusst, fleißig, rechtschaffen.
Dann ist es wohl nicht Ihr Ding, dass so viele Fernsehkrimis permanent den moralischen Zeigefinger heben?
Das Tolle an den Krimis von Elisabeth Herrmann, auf denen unsere Filme basieren, ist, dass sie unterhaltsame Krimis mit politischen oder geschichtlichen Ereignissen verknüpft, über die wir wenig wissen. Aber sie tut es nicht auf belehrende Art und Weise – und dazu passt dieser Vernau mit seiner Nonchalance und Lässigkeit ganz gut.
Im neuen Film geht es um eine Gruppe selbst ernannter Rächer, die Täter bestrafen will, die vor Gericht ungeschoren davongekommen sind.
Kann ein Gericht Gerechtigkeit herstellen? Oder sorgt es nur für die Einhaltung der Gesetze? Was ist überhaupt Gerechtigkeit? Oft gibt es ja Urteile, die uns die Haare zu Berge stehen lassen, so ungerecht scheinen sie uns. Eigentlich denke ich, dass wir ein gutes Rechtssystem haben. Ich finde allerdings, dass Richter in besonderen Fällen durchaus verpflichtet werden sollten, ihre Urteile öffentlich zu erklären und sich dem Gegenwind zu stellen. Wenn Urteile das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung brüskieren, ist das besonders wichtig.
Nach dem großen Quotenerfolg von Vernaus erstem Fall 2012 setzt das ZDF die Anwaltsgeschichten jetzt als Krimireihe fort. Mussten Sie die ARD dafür um Erlaubnis fragen?
Nein. Ich plaudere mal aus, dass es eine Übereinkunft mit der ARD gibt, die ausschließt, dass ich einen Rechtsmediziner in einem anderen Krimiformat spiele. Damit schützt man den Professor Boerne aus dem Münsteraner „Tatort“ vor Eigenkonkurrenz. Davon abgesehen würde ich das schon von mir aus gar nicht wollen. Andere Arten von Ermittlern sind möglich, und das ist auch gut so, denn geschätzte 80 Prozent aller deutschen Filme sind ja nun mal Krimis.
Finden Sie das schlecht?
Na ja. Manchmal hat man das Gefühl, es werden überhaupt nur noch Beziehungskomödien oder Krimis gedreht. Aber das Publikum mag es halt, und die Sender merken das an den Quoten. Die ARD hat ja an Weihnachten und zum Jahreswechsel ein „Tatort“-Gewitter auf uns alle niedergehen lassen, und es hat super funktioniert. Ich mache trotzdem stur auch viele andere Filme, im letzten Jahr allein drei, die 2014 in die Kinos kommen werden. Die Münster-„Tatorte“ sind zwei pro Jahr, und jetzt kommt ab und an mal ein „Vernau“ dazu.
Schauen Sie selber am Sonntag regelmäßig den „Tatort“?
Gelegentlich. Ich bin selber nicht so der Krimifan. Hauptsache ist doch, dass die Geschichte stimmt. Spannung schadet natürlich nie, und jede Komödie kann Melancholie vertragen, genauso wie jede dramatische Geschichte Humor verträgt. Ich mische gern, aus Überzeugung.
Was sagen Sie zu der Kritik, dass der Münster-„Tatort“ manchmal übers Ziel hinausschießt und zu albern ist?
Ich halte das durchaus für möglich. Ich selbst erkenne auch gelungenere und nicht so gelungene Folgen aus Münster. Ein Fußballer schießt auch nicht jedes Mal sechs Tore. Aber was wäre die Alternative? Die Nummer Sicher? Nee! Lieber soll auch mal ein Schuss daneben gehen, als dass man gar nicht mehr schießt und nur noch zielt.