Reportage: Frank Buchmeier (buc)
War es früher leichter, attraktive Aufträge zu ergattern?
Fritz Auer Es gab immer wieder Durststrecken, etwa während der Wirtschaftskrise Anfang der 80er Jahre. Aber eine grundlegende Verschlechterung haben der Branche erst die EU-Vergabeverfahren für öffentliche Baumaßnahmen beschert: Quasi per Dekret wurde Architektur zur lieferbaren Ware erklärt. Bei den EU-Vorgaben geht es allein um die Frage: Was leistet ein Gebäude materiell? Die prüfbaren Aspekte rücken in den Vordergrund, das Gestalterische in den Hintergrund.
Moritz Auer Auch jede Verschärfung der Energiesparverordnung schränkt unsere Möglichkeiten weiter ein. Die meisten Menschen wollen beispielsweise möglichst viel Tageslicht in Räumen, dieser Wunsch steht aber im Widerspruch zu möglichst viel Gebäudedämmung, die das Gesetz vorschreibt. Irgendwann können wir nur noch Schachteln mit kleinen Löchern bauen.
Sie haben 2004 den Wettbewerb für das neue Empfangsgebäude des Münchner Hauptbahnhofs gewonnen. Ein Jahrzehnt später ist immer noch nicht klar, ob das Projekt verwirklicht wird. Frustriert Sie das?
Moritz Auer Ich muss mich mit der Situation abfinden. Der Bahnhofsneubau hängt mit dem Bau eines zweiten S-Bahn-Tunnels zusammen. Erst, wenn klar ist, ob und wann dieser Tunnel kommt, können wir weiterplanen.
Gleichwohl verlangte der Bauherr, die Deutsche Bahn, schon einige Änderungen von Ihnen. Im Kern ging es darum, das Projekt wirtschaftlicher zu machen. Wo endet Ihre Kompromissbereitschaft?
Moritz Auer Die Bahn wollte mehr Ladenfläche, das war innerhalb unseres Konzepts möglich. Wir würden unseren prämierten Wettbewerbsentwurf aber nicht grundlegend ändern, eher würden wir auf den Auftrag verzichten. So viel Rückgrat muss man haben, sonst setzen wir unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Ist ein Architekt heute eher Dienstleister als Künstler?
Fritz Auer Ich habe mich schon immer als Dienstleister verstanden. Aber nicht in dem Sinne, dass der Auftraggeber mir vorschreiben darf, was und wie ich entwerfen soll. Der Bauherr hat seine Vorstellungen, der Architekt die seinigen – und im Dialog darüber sollte ein Gebäude entstehen, mit dem beide Seiten leben können. Das klappt meistens auch.
Auf der Website weist Ihr Büro 33 laufende Projekte aus. Sie scheinen sich eine goldene Nase zu verdienen.
Fritz Auer Schön wär’s. Wir treiben einen enormen Aufwand für die Akquisition, nehmen jährlich an 40 bis 50 Wettbewerben teil. Doch die Erfolgsquote sinkt kontinuierlich, weil die internationale Konkurrenz immer größer wird und die Verfahren immer komplizierter werden. Zurzeit gewinnen wir etwa jeden achten Wettbewerb, wobei ein erster Preis nicht automatisch bedeutet, dass daraus ein Auftrag für uns entsteht, weil sich noch Vergabeverhandlungen anschließen. Zudem sind die Kosten für die technische Büroausstattung gestiegen. Das Olympiaprojekt konnten wir Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre noch am Reißbrett mit Rapidograf, Lineal und Zirkel innerhalb von nur dreieinhalb Jahren bewältigen. Und nun schauen Sie, wie viele Computer heute in unserem Büro herumstehen!
Moritz Auer Mittlerweile werden schon bei der ersten Präsentation komplexe Visualisierungen erwartet, bis hin zu simulierten Kamerafahrten durch das geplante Gebäude. Außerdem werden alle möglichen Berechnungen verlangt. Der Aufwand steigt, der Ertrag nicht.
Haben Sie sich eigentlich selbst ein Haus gebaut?
Moritz Auer Nein, ich wohne in München in einem 70er-Jahre-Bungalow im Olympiapark: ebenerdig, Flachdach, Sichtbeton. Das Haus finde ich nahezu optimal, nur könnte die Lage städtischer sein. Ich möchte zur Haustür rausgehen und mitten im Leben stehen.
Fritz Auer Meine Frau und ich erwarben 1966 in Stuttgart-Riedenberg ein Häuschen, das wir renovierten und erweiterten. Wenn ich uns selbst ein Eigenheim entworfen hätte, würde das bestimmt spannender aussehen: ein Lebensraum zwischen Höhle und Glashaus.