Für Rollstuhlfahrer wird es nicht leicht werden. Die Haltestelle Türlenstraße ist nicht barrierefrei ausgebaut.

 

 Wir müssen uns behelfen, so gut wir das irgendwie tun können. Dazu zählen drei Behindertenparkplätze vor unserem Haus. Die Situation ist nicht optimal, das stimmt.

Die Lesekultur wandelt sich. In diesem Jahr stehen auf der Frankfurter Buchmesse digitale Angebote im Mittelpunkt - wo verorten Sie die Bibliothek in diesem Spannungsfeld?

Die Menschen brauchen reale Orte, an denen sie sich begegnen und austauschen können - die finden sie in den virtuellen Welten nicht. Die Stadtbibliothek ist ein solcher Ort. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, dass wir uns für die Buchkultur starkmachen. Die schnelle Information wird in Zukunft nicht mehr in Büchern zu finden sein. Aber die Vertiefung und die Analyse, die philosophische Reflexion und die Belletristik - all das wird sich künftig immer noch in realen Büchern wiederfinden.

Dennoch: digitale Lesegeräte werden immer beliebter, womöglich hängt an manchen Billy-Bücherregalen bald ein wenig charmanter Zettel: "Sperrmüll".

Kritiker des Gebäudes sagen, dass neben die kühlen Glasfassaden des Bankenviertels ein kalter Klotz aus Stein gesetzt wurde.

Das Haus gibt sich bewusst introvertiert - aber wer es als Besucher betritt, der erlebt, wie es sich nach innen öffnet. Für mich wird es der schönste Moment meines Berufslebens sein, wenn die Menschen von ihrer Bibliothek Besitz nehmen. Ich glaube, die Debatte über die Gestalt der Bibliothek hat sich schon gedreht - und ich hoffe, dass noch viele ihre Meinung ändern werden, wenn sie den Bau von innen gesehen haben werden.

Rund um Ihr Haus kreisen die Kräne, das Umfeld der Bibliothek ähnelt einer Schlammbadewanne - bedauern Sie, dass Ihre Gäste dreckige Schuhe bekommen, wenn am Freitag der Rote Teppich ausgerollt wird?

Dass es so kommt, habe ich mir nicht erträumt. Als wir 1997 mit der Planung der neuen Bibliothek begonnen haben, glaubten wir, dass das Quartier um uns herum fertig sein würde, wenn wir öffnen. Aber manchmal entwickeln sich die Dinge anders als erhofft. Nun sind wir das erste Haus am Platz - im doppelten Wortsinn.

Wer die Bibliothek erreichen will, muss sich bemühen: Es fehlen Parkplätze, die Stadtbahnstation der Linie U 12 am Budapester Platz ist nicht fertig...

...dennoch ist die Bibliothek gut erreichbar. Die Haltestelle Türlenstraße ist vom Charlottenplatz und vom Hauptbahnhof aus zu erreichen. Von der Haltestelle führt ein Steg zur Bibliothek. Vom Bahnhof aus sind die Besucher zu Fuß in knapp zehn Minuten bei uns. Die meisten Autofahrer werden zunächst die Parkhäuser in der Umgebung nutzen müssen. Aber das ist im Wilhelmspalais, unserem früheren Domizil, auch nicht anders gewesen.

"Das "Pssst!" entspricht nicht meiner Wunschvorstellung"

Für Rollstuhlfahrer wird es nicht leicht werden. Die Haltestelle Türlenstraße ist nicht barrierefrei ausgebaut.

 Wir müssen uns behelfen, so gut wir das irgendwie tun können. Dazu zählen drei Behindertenparkplätze vor unserem Haus. Die Situation ist nicht optimal, das stimmt.

Die Lesekultur wandelt sich. In diesem Jahr stehen auf der Frankfurter Buchmesse digitale Angebote im Mittelpunkt - wo verorten Sie die Bibliothek in diesem Spannungsfeld?

Die Menschen brauchen reale Orte, an denen sie sich begegnen und austauschen können - die finden sie in den virtuellen Welten nicht. Die Stadtbibliothek ist ein solcher Ort. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, dass wir uns für die Buchkultur starkmachen. Die schnelle Information wird in Zukunft nicht mehr in Büchern zu finden sein. Aber die Vertiefung und die Analyse, die philosophische Reflexion und die Belletristik - all das wird sich künftig immer noch in realen Büchern wiederfinden.

Dennoch: digitale Lesegeräte werden immer beliebter, womöglich hängt an manchen Billy-Bücherregalen bald ein wenig charmanter Zettel: "Sperrmüll".

Die Stadtbibliothek stellt sich der digitalen Welt: Auf unserer Homepage finden unsere Leser einen Zugang zu E-Books, E-Papers und Audiofiles, die sie mit dem Bibliotheksausweis herunterladen können. Doch damit ist es für uns noch nicht getan, wir wollen Anstöße geben und zu Diskussionen anregen. Was bedeuten die digitalen Entwicklungen für unsere Gesellschaft? Wie können wir den Menschen digitale Lesekompetenz vermitteln?

Manche frustrierten Lehrer wären froh, wenn ihre Schüler auch nur ein einziges Mal freiwillig zu einem Buch greifen würden.

Wir laden regelmäßig Schulklassen ein. Unsere Auszubildenden haben Jugendbücher besprochen und das mit einem poppigen Videotrailer aufbereitet. Das ist beispielsweise bei den Hauptschülern gut angekommen, weil das auf Augenhöhe gelaufen ist. Wir kennen keine Berührungsängste und haben auch Book-Castings veranstaltet.

Wenn Sie sich die Geräuschkulisse der neuen Bibliothek vorstellen - wird das ein stiller Ort, an dem nur die Buchseiten rascheln?

Ich freue mich auf ein lebendiges Haus! Das "Pssst!" entspricht jedenfalls nicht meiner Wunschvorstellung. Andererseits soll es neben lebhaften auch ruhige Bereiche geben - das haben unsere Nutzer im Wilhelmspalais am stärksten eingefordert.

Der Umzug der Bibliothek hat Nerven gekostet - welches Buch liegt bei Ihnen eigentlich gerade auf dem Nachttisch?

Wenn ich ganz ehrlich bin: keines. Im Moment bin ich froh, wenn ich halbwegs die Zeitung schaffe, um informiert zu sein. Ich komme momentan zu nichts.

Zwei Frauen haben den Takt vorgegeben

Anstoß Vor 14 Jahren hat die frühere Direktorin der Stadtbücherei am Wilhelmspalais ein zukunftsweisendes Konzept entwickelt – Hannelore Jouly beschrieb eine Bibliothek, die als multimedialer Lernort dem Wandel der Buchkultur Rechnung trägt. Doch es sollten viele Jahre vergehen bis zum Spatenstich für jenen Neubau, der nun mitten im Europaviertel wie ein Solitär aufragt. Stuttgart zahlt 79 Millionen Euro für die neue Stadtbibliothek am Mailänder Platz. Realisiert wurde ein würfelförmiges Gebäude des koreanischen Architekten Eun Young Yi.

Direktorin Ingrid Bussmann steht seit 2001 an der Spitze der Stadtbücherei am Wilhelmspalais. Nun hat die 62-Jährige – gemeinsam mit ihrem Team – den Großteil des Umzugs geschafft. Bussmann ist in Essen geboren und lebte längere Zeit in Hannover. Bevor sie zunächst als stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei nach Stuttgart kam, arbeitete sie vier Jahre als Lehrerin. Ingrid Bussmann schätzt die Schwäbische Alb und die Literatur von Bertolt Brecht.