Als erste Frau steht Marjoke Breuning an der Spitze der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. Sie steht vor großen Aufgaben. Vor allem will sie aber das Verhältnis zu den Kakteen verbessern.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)
Frau Breuning, Sie sind die neue Stuttgarter IHK-Präsidentin und auch die erste Frau in diesem Amt. Hat es Sie denn überrascht, dass Ihre Gegenkandidatin von den kammerkritischen Kakteen nur Stimmen aus dem eigenen Lager erhielt?
Es war eine geheime Wahl, und deswegen kann niemand sagen, wer aus welchem Lager Stimmen bekommen hat. Ich freue mich sehr über die 59 Stimmen, die ich bekommen habe, von wem auch immer sie sind. Und ich freue mich auch, dass ich eine Gegenkandidatin hatte. Dadurch hatten wir eine richtige Wahl. Darüber, dass ich gewählt wurde, freue ich mich sehr.
Wie wollen Sie denn künftig mit den Kakteen umgehen? Wollen Sie die verhärteten Fronten aufbrechen?
Ja, durchaus. Ich hatte im Vorfeld der Wahl die Möglichkeit, viele Gespräche zu führen, weil ich meine Kandidatur schon frühzeitig erklärt habe. Dabei konnte ich auch mit den Kakteen und deren Sprechern reden. Diese Gespräche waren sehr positiv. Von meiner Seite wurden auch Plätze im Präsidium angeboten, diese wurden aber leider nicht angenommen.
Und jetzt?
Alle gewählten Vollversammlungsmitglieder haben eine Verantwortung. Wir täten also alle miteinander gut daran zusammenzuarbeiten. Auf beiden Seiten sehe ich eine gewisse Offenheit und die Möglichkeit, sich in der Mitte zu treffen. Ich hoffe sehr, dass es mir in den nächsten Jahren gelingen wird, eine gewisse Annäherung zu erreichen.
Die Kakteen sind ja kein ganz einheitlicher Block, aber sie leben doch stark von ihrer Oppositionsrolle.
Kritische Stimmen sind ja zunächst einmal nichts Verkehrtes. Wer Kritik übt, hat ja auch Interesse an den Themen und auch an der IHK. Ob die Kakteen eine einheitliche Gruppierung sind, will ich mal dahingestellt lassen. Auch diejenigen, die nicht bei den Kakteen sind, sind kein Block. Das sind alles einzelne Unternehmer und Unternehmerinnen.
In der Vergangenheit wurde von Kritikern stets betont, die IHK dürfe sich nicht eindeutig zu politischen Fragen wie etwa S 21 äußern. Wird man auch künftig die Stimme der IHK zu politischen Themen hören?
Das IHK-Gesetz schreibt ganz klar vor, dass wir uns zu politischen Themen, die die Wirtschaft betreffen, äußern sollen. Und das werden wir auch künftig tun.
Ein heiß diskutiertes Themaist der Feinstaub. Glauben Sie, dass Fahrverbote etwas nützen?
Das ist keine Glaubensfrage. Man muss schauen, wie die wissenschaftlichen Fakten sind. Wir sind doch alle sehr daran interessiert, jeder Bürger und auch die IHK, dass wir eine saubere, reine und gesunde Luft in Stuttgart und der Region haben. Alle Bemühungen sollten diesem Ziel dienen. Ein einseitiges Fahrverbot allein hilft nicht. Der Stuttgarter Oberbürgermeister hat schon Anstrengungen unternommen, etwa bei der Straßenreinigung und mit den neuen Mooswänden. Wir müssen alle zusammenarbeiten, um eine sinnvolle Konzeption zu erarbeiten. Mit einseitigen Fahrverboten allein ist es nicht getan.
Was wäre denn sonst noch möglich?
Wir sollten uns Gedanken machen, wie der Verkehr in der Stadt und in der Region aussehen soll. Und darüber, wie die Belieferung in der Innenstadt aussehen könnte. Wir brauchen zudem einen guten öffentlichen Personennahverkehr, damit die Beschäftigten zu ihren Arbeitsplätzen kommen.
Wäre denn der Nordostring von Kornwestheim zur B 14 eine Möglichkeit, die Stadt zu entlasten?
Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass gerade dieser Teil unserer Region ein Nadelöhr ist. Der Nordostring ist nach wie vor im Bundesverkehrswegeplan. Die IHK begrüßt es, wenn die Gespräche über den Nordostring weitergeführt werden.
Die Diskussion über den Feinstaub treibt auch die Bemühungen um die Elektromobilität voran. Wo sehen Sie denn bei den Zukunftsthemen Elektromobilität und Digitalisierung die größten Herausforderungen für die Unternehmen der Region?
Die Elektromobilität ist sicherlich eine ganz große Herausforderung. Stuttgart ist eine Region, die durch das Automobil geprägt ist. Es gab bereits einen Runden Tisch mit Autoherstellern und Zulieferern, bei dem die IHK mit von der Partie war. Je komplexer die Produktion ist, umso qualifizierter müssen die Arbeitskräfte sein.
Und wie sieht es mit der Digitalisierung aus?
Die Unternehmen sind hier gut aufgestellt. Wir sehen, dass kleinere und mittlere Unternehmen noch einen gewissen Nachholbedarf haben. Die IHK steht diesen Unternehmen gerne beratend zur Seite. Es gibt bei uns ja schon eine ganze Reihe von Aktivitäten wie branchenspezifische Informationen und Erfahrungsaustausch.
Die Wirtschaft ist in Sorge wegen des zunehmenden Protektionismus. Was sagt denn die IHK einer überdurchschnittlich vom Export abhängigen Region wie Stuttgart dazu?
Es gibt Verunsicherungen. Stichwort Brexit, Stichwort Herr Trump. Protektionismus kennt in unserer globalisierten Wirtschaft nur Verlierer. Ich sehe aber unsere Wirtschaft stark aufgestellt.