Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)
Sie treten ihre Stelle in einer unruhigen Zeit an. Euro-Krise, Flüchtlinge, Ukraine-Krise – welche Rolle spielt das Nicht-EU-Land Schweiz?
Wir haben ein wichtiges „Exportgut“, das in der Öffentlichkeit nicht immer wahrgenommen wird. In unserer Außenpolitik haben wir die Friedensförderung und den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zum Ziel gemacht. Natürlich versuchen wir auch mit Hilfe vor Ort dabei zu sein – etwa im Syrienkonflikt. Wichtig ist, dass Konflikte diplomatisch gelöst werden. So bieten wir zum Beispiel den Standort Genf als Plattform für Friedensgespräche an. Bezüglich der Ukraine waren wir vermittelnd sehr aktiv in der OSZE, deren Vorsitz die Schweiz 2014 inne hatte und den Deutschland im Jahr 2016 übernimmt.
Sie beschreiben eine weltoffene, internationale Schweiz. Das Land zeigt im Moment aber auch eine andere Seite. Mit der SVP schwimmt eine Partei auf einer Erfolgswelle, die die Schweiz vom Rest Europas abschotten will.
Es ist tatsächlich so, dass es bei den Parlamentswahlen in der Schweiz einen Rechtsrutsch gegeben hat. Das geschieht zur Zeit in vielen europäischen Ländern. Angesichts der Flüchtlingskrise wird oft mit der Angst Politik gemacht. Ob diese Angst begründet ist, sei dahingestellt – das kann aber Wahlen beeinflussen. Die aktuelle Migrationsproblematik stellt alle in Europa vor eine große Herausforderung.
Spiegelt der Sieg der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei die allgemeine Stimmung in der Schweiz wieder?
Es ist sicher nicht die Mehrheit des Volkes, die diese Stimmung trägt. Im Kanton Zürich hat zum Beispiel die Sozialdemokratische Partei zugelegt. Aber wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen. Wenn wir das nicht täten, würden wir den rechtsradikalen Kräften in die Hände spielen. Aber auch das ist eine Frage, die im Moment ganz Europa beschäftigt.
Ist das Schweizer Konkordanz-System, das auf den politischen Ausgleich bedacht ist, mit der auf Dauerkrawall eingestellten SVP überfordert?
Man kann es auch umgekehrt sehen: die SVP ist nun in der Pflicht, mit ihrem zweiten Bundesratssitz weiter Verantwortung zu übernehmen und konstruktiv Lösungen für komplizierte Probleme zu finden.
Das Erstarken der europakritischen SVP heißt aber auch, dass die Annäherung der Schweiz an die EU vorerst beendet ist.
Die Schweiz wollte 1992 nicht in den Europäischen Wirtschaftsraum eintreten und hat den bilateralen Weg gewählt. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und mit der gegenwärtigen Flüchtlingsproblematik scheint es nicht so, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine Annäherung an die EU möchte. Dabei wird oft leider vergessen, wie eng wir mit den Mitgliedstaaten wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich verflochten sind.
Machen Sie sich Sorgen um die EU?
Die EU steht vor vielen Herausforderungen: Stichwort Brexit, Migrationspolitik, Terrorismusbekämpfung etc. Ich höre in Berlin von den EU-Botschaftern viele Meinungen, und die Stimmung scheint mir im Moment nicht sehr gut. In der Flüchtlingskrise betonen viele Staaten den Vorrang der nationalen Interessen und lassen nicht überall die gewünschte Solidarität erkennen. Das muss zu denken geben. Aber ich hoffe und glaube, dass die EU ein stabiles Fundament hat und auch dieses Problem lösen wird.