Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Was bedeutet Einheitsgewerkschaft für die Positionierung gegenüber der AfD?
Die AfD steht im diametralen Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Grundwerten. Sie gibt vor, eine Partei der kleinen Leute zu sein – de facto ist es eine Partei der Besserverdienenden. Die Widersprüchlichkeit des Programmentwurfs zeigt sich etwa bei der Erbschaftssteuer, die abgeschafft werden soll. Völlig verrückt wird es bei der Gewerbesteuer, die die AfD beseitigen will – damit würden den Kommunen jährlich 44 Milliarden Euro genommen. Das ist keine Politik für kleine Leute, sondern schlicht und ergreifend Unfug. Noch verrückter sind die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorschläge. Da ist die AfD überhaupt nicht in der Lage, auf die Herausforderung der Zukunft zu reagieren. Da wird zum Beispiel davon gefaselt, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz oder auch der Datenschutz der Arbeitnehmer lästige Bürokratien seien.
Trotz der Warnung aus Ihren Reihen haben überraschend viele Gewerkschaftsmitglieder bei den Landtagswahlen die AfD gewählt haben. Was hat der DGB falsch gemacht?
Sie weisen zu Recht darauf hin, dass Gewerkschaftsmitglieder im gleichen Umfang wie alle Wähler sowie Geringverdienende und Arbeitslose zum Teil noch überproportional AfD gewählt haben. Wir sehen es mit Sorge. Das hat mit dem erheblichen Vertrauensverlust in die etablierten Parteien zu tun. Deshalb brauchen wir deutliche Positionen in den drei Kernthemen gute Arbeit, Steuergerechtigkeit und Rente. Darauf hat die AfD überhaupt keine Antworten. Die Menschen werden es merken, wenn sie in der Opposition Politikfähigkeit beweisen muss. Denn ich gehe davon aus, dass sich die AfD sehr schnell selbst entkleiden wird. Aber auch wir müssen uns wesentlich stärker positionieren und aufklären, dass es sich bei der AfD um eine zutiefst europafeindliche, nationalistische Veranstaltung handelt, die die Lebenssituation der Menschen auf Dauer verschlechtern wird.
Ist die Sorge vor der Konkurrenz durch Flüchtlinge am Arbeitsmarkt so groß unter den Gewerkschaftsmitgliedern, dass sie der AfD so wohlwollend gegenüberstehen?
Wir erleben in den Betrieben nach wie vor eine große Hilfsbereitschaft. Und es kommt darauf an, dass wir die Menschen, die aus großer Not zu uns gekommen sind, möglichst rasch in den Arbeitsmarkt integrieren. Wenn wir Flüchtlinge vom Mindestlohn ausnehmen, würde das passieren, wovor sich die Menschen zu Recht fürchten: eine Konkurrenz zwischen den Flüchtlingen und denjenigen, denen es heute schon nicht gut geht. Zudem spüren die Menschen, dass etwas aus dem Ruder läuft: Wir haben erheblichen Investitionsbedarf – in den Schulen oder der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Das alles hat die Politik viel zu spät erkannt – während die AfD das Flüchtlingsthema in geradezu widerlicher Weise instrumentalisiert hat.
Haben Sie im Amt schon ausreichend eigene Akzente gesetzt – war es eine gute Zeit?
Die Bilanz der ersten zwei Jahre als DGB-Vorsitzender ist aus meiner Sicht positiv. Wir haben eine hohe Akzeptanz in der Politik und bei den Bürgern. Wir haben eine Stabilisierung der Mitgliedschaft – auch wenn ich mir wünsche, dass sich noch mehr Menschen gewerkschaftlich organisieren. Der Zusammenhalt zwischen den acht Gewerkschaften ist in den zwei Jahren erheblich gewachsen – dies wird man auch bei der gemeinsamen Rentenkampagne im Herbst merken. Ich erkenne dennoch, dass es noch deutlich Luft nach oben gibt.
Welcher Konflikt war bisher der schwerste: die Mediation zwischen IG Metall und Verdi?
Dies ist doch die Aufgabe des DGB, zwischen den differenzierten strategischen Positionierungen zu vermitteln. Die heutigen Branchenstrukturen entsprechen nicht mehr zwingend den Strukturen der fünfziger und sechziger Jahre. Da ist die Frage, welche Gewerkschaft für welche Betriebe zuständig ist, im ständigen Fluss. Dass es da hin und wieder einen Konflikt gibt, verwundert nicht. Aber da ist uns in den letzten zwei Jahren eine Menge gelungen. Die DGB-Gewerkschaften sind in einer guten Verfassung.
Welches Gefühl gibt Ihnen das Amt des DGB-Vorsitzenden?
Es ist eine ungeheure Anerkennung, wenn acht zum Teil unterschiedliche Gewerkschaften der Auffassung sind, dass ich der richtige DGB-Vorsitzende bin. Dies lässt mich diese Aufgabe selbstbewusst wahrnehmen.