Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)
Doping ohne Ärzte ist heute angesichts der komplexen Methoden kaum möglich. Im Zuge der Debatte steht ja auch die Sportmedizin am Pranger, die eine unrühmliche Rolle beim Dopingbetrug gespielt hat, wenn wir an einige Sportärzte in Freiburg denken. Wie sehen Sie als Mediziner diesen Komplex?
Die Sportmedizin hat in der Vergangenheit große Schuld auf sich geladen. Es ist offensichtlich, dass da vieles schiefgelaufen ist, ob mit oder ohne staatliche Deckung sei mal dahingestellt. Aber das gilt auch nicht für alle Sportärzte. In Freiburg waren es ja vor allem maßgeblich zwei Personen.
. . . Joseph Keul und Armin Klümper . . .
Ich hoffe und denke, dass die Sportmedizin daraus gelernt hat. Heute positionieren wir Ärzte uns ganz klar gegen Doping, auch wenn ich mir von Seiten der Ärztekammer mehr Engagement und Aufklärung im Dopingbereich wünsche.
Sie sind auch Teamarzt des VfB Stuttgart. Welche Rolle spielen mögliche Erwartungen von Vereinen und Athleten für die Ärzte?
Es darf keine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Leistungssport geben. Wenn ich auf die Einkünfte nicht existenziell angewiesen bin, dann bin ich in meiner Entscheidung immer unabhängig. Wenn man das beherzigt, kann man sehr geradlinig arbeiten. Die Telekom-Ärzte zum Beispiel waren noch relativ jung, dadurch sind sie anfälliger für Verlockungen, weil sie beruflich am Anfang stehen und finanziell nicht abgesichert sind. Ich halte es für wichtig, dass im Spitzensport nur gestandene Ärzte arbeiten, weil sie im Idealfall standhafter sind.
Aber auch erfahrene Ärzte bewegen sich in einem Grenzbereich. Bisweilen hat man den Eindruck, dass alles, was nicht explizit verboten ist, auch gemacht wird und sich Ärzte vor allem als Leistungsoptimierer sehen.
Es gibt die offizielle Dopingliste, und dann gibt es Grauzonen, in denen es um moralische Erwägungen geht. Es gibt leider Ärzte mit der Philosophie: Wir schöpfen alles aus, was geht. Ich sehe es nicht so, dass alles, was nicht verboten ist, auch erlaubt ist. Aber das muss jeder Arzt selbst entscheiden.
Gehört dazu auch der Bereich Schmerzmittel? In diversen Studien wurden erschütternde Zahlen über den Schmerzmittelkonsum im Fußball und Handball erhoben.
Das ist ein schwieriger Punkt. Ich war vor einiger Zeit bei einer Veranstaltung, auf der die Frage aufkam, ob man Schmerzmittel im Sport nicht generell verbieten sollte. Da stand ein Zuhörer aus einer Kampfsportart auf und hat nur den Kopf geschüttelt. Sein Sport tue halt weh. Wenn Sie vom Rad fallen, würde ich Ihnen ja auch ein Schmerzmittel verschreiben, aber ein Sportler soll bei Bedarf keines bekommen?