Wo stehen Sie denn politisch?
Wir sind Antifaschisten. Wir verstehen unsere Aufgabe darin, der rechten Szene entgegenzutreten und die Gefahr von Rechts zu bannen. Bei uns gibt es Leute, die ihr Leben lang in gewerkschaftlichen Kreisen aktiv waren. Dann gibt es Leute, die sind relativ jung und kommen aus der Antifabewegung. Dann gibt es Leute aus politischen Kreisen und Leute, die das Bündnis Kreis Göppingen nazifrei mitgegründet haben und irgendwann erkannt haben, dass das nicht der richtige Weg für sie ist.
Warum denn das? Im Bündnis nazifrei sind etliche demokratische Kräfte zusammengeschlossen.
Da geht es um die Grundsatzfrage, wie ich mit dem Naziproblem umgehe, das hier de facto existiert. Und da hat das Bündnis Kreis Göppingen nazifrei gesagt: Das ist eine Sache, da wollen wir nicht wirklich aktiv etwas dagegen tun, das delegieren wir an die Polizei oder die Stadtverwaltung, aber wir selbst bringen nicht wirklich etwas dagegen auf die Straße.
Aber das Bündnis ist am Samstag aktiv, es hat zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen.
Ja gut, sie machen das, was sie die vergangenen Jahre gemacht haben, und das ist auch völlig in Ordnung. Es ist ja nicht falsch, Flagge zu zeigen gegen Rechts. Aber das ist bei Weitem nicht ausreichend. Eine Kundgebung fernab der Naziroute hat in den vergangenen zwei Jahren nichts an den Problemen geändert und wird auch diesen Samstag – sollte es doch zu einem Naziaufmarsch kommen – nichts bewegen.
Sie meinen also ernsthaft, dass Ihr konfrontatives Vorgehen erfolgsversprechender ist?
Viele Leute haben zum Erfolg beigetragen: in gewisser Hinsicht natürlich auch das Bündnis Kreis Göppingen nazifrei, vor allem aber diejenigen, die sich seit der Entstehung der Autonomen Nationalisten auf verschiedenen Ebenen daran gemacht haben, dass diese Gruppierung nicht mehr existieren kann. Die Proteste waren 2012 und 2013 in ihrer Vielfalt sicherlich mit ausschlaggebend für eine Demotivierung dieser Neonazi-Gruppierung.
Mir kamen die Neonazis eher hoch motiviert vor: Nach der Demo im vergangenen Oktober haben die Autonomen Nationalisten jährliche Demonstrationen bis zum Ende des Jahrzehnts im Göppinger Rathaus angemeldet. Erst nach den Verhaftungen im Februar wurden die Aufmärsche wieder abgemeldet. Letztendlich hat der Staat also mehr erreicht als die Gegendemonstranten. Vielleicht ist es ja sogar so, dass Sie und Ihre Mitstreiter erst dafür sorgen, dass die Aktionen der Ultrarechten so viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen.
Es ist mitnichten so, dass sich das Problem von selbst löst, wenn man Nazis keine Aufmerksamkeit schenkt. Das ist eine These, die ja auch der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till immer wieder vertritt. Aber erst wenn der Gegenwind da ist und sie ihren Kameraden erklären müssen, dass sie sie ihre Route nicht laufen können und so weiter, wird eine Demo wirklich unattraktiv für die Neonazis.
Ich weiß nicht, ob Nazis den Erfolg einer Demo an den gelaufenen Kilometern messen. Wenn man die Bilder von dem kleinen Naziaufmarsch am 30. August sieht, kann man doch dem OB fast nicht widersprechen: Taxifahrer hieven Koffer aus dem Wagen, Reisende eilen zu ihrem Zug. Daneben steht ein Häuflein Nazis und demonstriert völlig unbeachtet. Das war doch ein Propagandatiefpunkt für die rechte Szene.
Das Gegenteil ist der Fall. Genau dort wollen die doch hin: Faschistische Politik und menschenverachtende Gesinnung sollen etwas Normales in unserer Gesellschaft werden. Etwas, das akzeptiert ist, keinen Gegenwind mehr erhält und das ohne Probleme am Samstagmittag am Göppinger Bahnhof vertreten werden kann. Nein, Stillschweigepolitik ist das Falsche.
Und was ist das Richtige?
Man muss verhindern, dass die Neonazi-Demonstration überhaupt stattfinden kann, zum Beispiel durch Blockaden.
Ihre so genannte Blockade sieht so aus, dass im Pulk auf die Polizeisperre zurennen und diese gewaltsam durchbrochen wird. Das trifft zunächst mal die Beamten und nicht die Nazis.
Sehen Sie mal: Wenn ich auf eine Naziroute möchte und da ist ein Hindernis, dann muss ich dieses Hindernis überwinden, um da hin zu kommen. Da sind wir uns doch einig?
Nein, keineswegs! Und ich bezweifle auch, dass Sie mit Ihrer Gewaltstrategie das von Ihnen proklamierte Ziel erreichen, die Neonazis zu stören. Fakt ist, dass sich in den vergangenen zwei Jahren in Göppingen Jagdszenen zwischen Polizisten und Gegendemonstranten abspielten, während rund 150 Neonazis ihre Gegner genüsslich provozierten – meist, ohne die Grenze zur Strafbarkeit zu überschreiten.
Die Frage ist, ob das gleich der große militante Moment ist, wenn ich sage, ich nutze die Kraft als Menschenmasse, um eine Polizeikette zu durchbrechen. Es gibt viele bundesdeutsche Städte, in denen Zehntausende auf eine solche Weise einen Naziaufmarsch verhindert haben. Da sollte man nicht immer mit dem Vorwurf der Gewalt kommen. Generell halte ich jegliche Form des Protestes gegen eine menschenverachtende Gesinnung für legitim, unabhängig davon, ob ich sie selbst praktizieren würde.