Der Schwabe Alexander Kopitkow verdient gutes Geld mit der Astrologie. Ein Gespräch über pünktliche Jungfrauen und die Krise der Kirchen.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Stuttgart - Ein hagerer Mann - blondes Haar, brauner Teint, skeptischer Blick - öffnet die Tür. Er bittet in sein Wohnzimmer. An der Wand lehnen Gitarren, auf den Regalen stehen Buddha-Figuren. Der Astrologe Alexander Kopitkow fährt seinen Laptop hoch. Es kann losgehen.

Herr Kopitkow, können Sie mir bitte ein persönliches Horoskop erstellen?


Gerne. Geburtsdatum, Uhrzeit, Ort?

9. September 1965, 14.46 Uhr, Stuttgart.


Aha, interessante Kombination: Jungfrau mit Schütze-Aszendent. Sehen Sie bitte auf meinen Bildschirm: Außenrum haben wir die Sternzeichen und mittendrin sehen wir die Planeten, wie sie zum Zeitpunkt Ihrer Geburt standen. Wesentlich ist der erste Atemzug, weil das das Erste ist, was wir Menschen ungefiltert von unserer Umwelt aufnehmen. Ich vermute, dass die atomare Struktur der Luft eben diese Sternenkonstellationen als Information beinhaltet.

Mit Verlaub: das klingt reichlich abgedreht.


Für Sie vielleicht. Aber die Astrologie ist eine tausende Jahre alte Wissenschaft, die auf Beobachtungen beruht. Johannes Kepler hat einst sinngemäß gesagt: Wer sich mit Sternen intensiv befasst und dennoch keine Zusammenhänge zu unserem Leben sieht, dem mangelt es an Intelligenz.

Heutzutage halten namhafte Naturwissenschaftler die Astrologie für Humbug.


Solche modernen Technokraten schaden unserer Welt mehr als ihr zu nutzen. Glücklicherweise orientieren sich immer mehr Menschen an dem alten Wissen: mit der Natur zusammenarbeiten, von ihr lernen, mit ihr die Symbiose suchen.

Wie können Sterne, die von Menschen willkürlich zu Bildern zusammengefügt wurden, unseren Charakter beeinflussen?


So dürfen Sie das nicht sehen. Man hat irgendwann erkannt, dass die zwölf Planetenkonstellationen etwas indizieren. Sie müssen sich das vorstellen wie eine Uhr: Die macht nicht die Zeit, aber sie zeigt sie an.

Was verraten die Sterne über mich?


Jungfrauen sind Organisationstalente und Analytiker hoch zehn. Immer pünktlich. Meistens bereitet ihnen bei psychischem Stress der Darm Probleme. Wichtiger ist aber Ihr Aszendent Schütze. Der Schütze ist kommunikativ, ehrlich und aufrichtig. Der Schütze reist gerne und treibt viel Sport. Der Schütze braucht die Bewegung.

Damit kann ich mich identifizieren, aber viele Menschen mit anderen Sternzeichen werden sich in Ihren Worten auch wiedererkennen. Können Sie etwas konkreter werden?


Ich sehe, dass Sie die letzten zwei Jahre sehr viel Stress hatten. Sie haben ein Vaterthema - das zeigt mir Ihre Sonne-Pluto-Verbindung. Auch eine Spätentwicklerthematik - das erkenne ich am Saturn, der der Sonne gegenübersteht. Das hat Sie in jungen Jahren zu einem gehemmten Menschen gemacht, auch im sexuellen Bereich.

Wie bitte?


Erst ab 30 haben Sie Ihren Weg gefunden. Mittlerweile sind Sie voll ins Leben integriert, davor war alles nur ein Trainingslager für Sie. Zudem haben Sie eine markante Mondstellung. Die steht für Ihr Gefühlsleben, das extrem ausgeprägt ist. Das heißt: Sie besitzen eine enorme Sensibilität.

Ich lasse das mal so stehen. Was hätte ich für diese Einschätzung bezahlt, wenn ich hier nicht als Journalist säße, sondern als Kunde?


Ich lasse einen Kunden normalerweise nicht in meine Wohnung, ich berate fast nur noch am Telefon und gegen Vorauskasse: 80 Euro für ein 15-minütiges Gespräch. In dieser viertel Stunde kann ich den Anrufern sehr viele Informationen liefern, damit sind die für ein halbes Jahr gefüttert. Ich achte penibel darauf, dass meine Energiespeicher vor jedem Gespräch gefüllt sind, damit ich meine volle Leistung abrufen kann. Mehr als fünfzig Beratungen pro Woche mache ich deshalb selten.

Ich nehme an, dass Sie hauptsächlich von Frauen leben.


Gut 90 Prozent meiner Kundschaft ist weiblich, das ist richtig. Oder schwul.

Haben Sie dafür eine Erklärung?


Frauen und homosexuelle Männer können ihre emotionale Intelligenz besser abrufen. Wir Hetero-Männer besitzen sie zwar auch, aber sie ist oft tief in unserer Seele verschüttet. Wir müssen sie mühsam freischaufeln.

Hat Ihnen jemand dabei geholfen?


Ich habe nicht viel Unterstützung benötigt, weil ich schon immer etwas anders geartet war als das Gros meiner Geschlechtsgenossen. Das Jungsgehabe mit Fußball und so war nie mein Ding. Über die enge Freundschaft zu einem Mädchen bin ich früh zur Astrologie gekommen. Als Teenager kannte ich bereits die Sternzeichen aller Mitschüler und Lehrer. Mein ganzes Fachwissen habe ich mir über Jahrzehnte autodidaktisch angeeignet. So ging es Schritt für Schritt voran: Ich habe zunächst für Zeitschriften geschrieben und Bücher verfasst, bis ich schließlich 2004 beim inzwischen untergegangenen baden-württembergischen Landessender B-TV gelandet bin.

Zurzeit sind Sie regelmäßig auf Astro TV zu sehen, einem Berliner Sender, den die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" als ein "einziges, mit Schicksalsglauben verbrämtes Abzockunternehmen" bezeichnet.


Die FAZ müsste konsequenterweise jeden Sender "Abzockunternehmen" nennen. Überall gibt es kostenpflichtige Gewinnspiele, und nur ganz wenige Anrufer erhalten einen Preis. Bei Astro TV braucht man vergleichsweise wenig Glück, um zu mir durchgestellt zu werden. Und selbst wenn man es fünf Mal erfolglos versucht, ist man unterm Strich nur 2,50 Euro los. Niemand wird gezwungen, bei einem Fernsehsender anzurufen. Und Süchtige finden Sie in allen Bereichen. Es gibt wesentlich gefährlichere Drogen als 0137-Telefonnummern.

Sind Sie selbst vom Fernsehen abhängig?


Wirtschaftlich ja, für mich als Selbstständigen ist Astro TV eine Werbeplattform. Das Fernsehen verschafft mir einen hohen Bekanntheitsgrad. Dadurch bekomme ich meine Privatkunden, mit denen ich den größten Teil meines Umsatzes mache.

Sie treten im Umfeld von Wahrsagerinnen, Schamanen oder Kartenlegern auf. Finden Sie solche Angebote seriös?


Das hängt vom Einzelfall ab. Ein Hellseher hat mir vor zehn Jahren aus der Hand gelesen: "Du wirst einen neuen Job finden, noch eine Tochter zeugen, und ein Zahn oben rechts ist kaputt." Alles hat gestimmt. Natürlich fragt man sich, wie so etwas funktioniert. Ich glaube, dass in unseren Zellen viel mehr Informationen stecken, als wir wissen. Und es gibt Menschen, die die Gabe besitzen, auf spirituelle Weise an diese Informationen zu gelangen. Aber es gibt auch viele Scharlatane, die nur so tun, als ob sie etwas Außergewöhnliches könnten. In der Esoterikbranche lässt sich Kohle verdienen - und das zieht fragwürdige Gestalten an.

Profitieren Sie von der Krise der Kirchen?


Bestimmt. Die Menschen merken doch immer wieder, dass die Kirchenleute selbst nicht nach der Moral leben, die sie predigen. Also geben sich viele lieber den natürlichen Gesetzmäßigkeiten hin.

Demnach ist die Astrologie eine Religion?


Nein, die Astrologie ist lediglich eine Lehre, von der ich vollkommen überzeugt bin. Geistig fühle mich am ehesten im Buddhismus aufgehoben. Bei meinen Beratungen versuche ich oft, die Menschen durch Meditationsübungen von ihren negativen Gedanken wegzuführen. Wenn einer zu mir sagt: "Mein Knie schmerzt", dann sage ich: "Schau auf deine Hände, die sind gut."

Sie scheuen sich nicht, in einer dreiminütigen Fernsehberatung einer Anruferin den Tipp zu geben, sich von ihrem Partner zu trennen.


Normalerweise achte ich darauf, dass ich sage: Ich würde mich an Ihrer Stelle trennen, aber Sie müssen selbst entscheiden. Viele Beratungen gehen mittlerweile in Richtung Therapiegespräch.

Ich bezweifle, dass Sie der richtige Ansprechpartner für labile Menschen sind.


Warum zweifeln Sie? Ich mache Mut, ich bin ein Glücksbote. Ich fordere dazu auf, an sich selbst zu glauben und dem Schicksal zu vertrauen. Ich übernehme auch gerne die Arbeit der Kirchen, indem ich vermittle, dass es einen Gott gibt. Er ist in uns allen.

Sie haben ein feines Gespür dafür entwickelt, was der jeweilige Anrufer von Ihnen hören will. Das macht Sie zu einer Art Placebo: Sie wirken, weil man an Ihre Wirkung glaubt.


Das möchte ich nicht ganz abstreiten. Natürlich entwickelt man nach Zigtausenden Beratungsgesprächen eine gewisse Intuition. Aber das ist ja genau das, was einen guten Astrologen auszeichnet: Er muss eine Sternenkonstellation für eine individuelle Lebenssituation richtig interpretieren.

Sie sind geschieden und mussten berufliche Durststrecken überstehen. Das hätten Sie sich selbst prophezeien können.


Im Prinzip ja. Aber es ist ganz schwer, für sich selbst Aussagen zu treffen. Da vermischen sich Wunsch und Wirklichkeit. Sternenkonstellationen kann man nur richtig deuten, wenn man objektiv ist.

Haben Sie sich als Profiastrologe Ihren eigenen Traumjob geschaffen?


Ich habe einen Beruf, der mir Spaß macht. Aber eigentlich bin ich ein Künstler: Ich male, komponiere und spiele Klavier und Gitarre. Wenn ich die freie Wahl hätte, würde ich damit mein Geld verdienen.

Sie müssten zumindest den richtigen Moment vorausbestimmen können, der für eine berufliche Veränderung günstig wäre.


Anfang kommenden Jahres wäre nach meinem Horoskop ein sehr guter Zeitpunkt. Aber der innere Drang, etwas Neues zu beginnen, ist zurzeit nicht groß genug. Sehen Sie, das habe ich versucht, Ihnen in unserem Gespräch zu verdeutlichen: Die Sterne liefern lediglich Hinweise. Die Entscheidungen muss jeder für sich selbst treffen.