Nach dem Absturz einer Junkers Ju 52 in den Schweizer Alpen haben die Ermittler wenige Anhaltspunkte für ihre Suche nach den Gründen. Doch es gibt Augenzeugen des Unglücks. Einer von ihnen ist der Hüttenwart Raini Feldner.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Fliems/Stuttgart - Nach dem Absturz einer Junkers Ju 52 in den Schweizer Alpen mit 20 Toten wartet auf die Unglücksermittler eine schwierige Aufgabe. Anders als moderne Flugzeuge hatte die 79 Jahre alte Maschine keine Blackbox an Bord. Zudem gibt es in Bergtälern wie dem, wo die Maschine abstürzte, nur wenige Radaraufzeichnungen.

 

Wir sprachen mit dem Augenzeugen Raini Feldner, der die letzten Sekunden des Absturzes im Gebiet des Piz Segnas (Kanton Graubünden) miterlebt hat und als einer der ersten am Unfallort war.

„Es war ein schrecklicher, grausamer Anblick. Nichts, über das man sprechen möchte“

Herr Feldner, Sie haben den Absturz der Junkers Ju 52 miterlebt. Können Sie diesen Moment schildern?

Ich habe den Anflug der Maschine selbst nicht gesehen. Ich war gerade in meiner Hütte, als ich laute Motorengeräusche hörte. Ich bin raus, um zu sehen, welche Maschine das ist. Meine Hütte liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Absturzstelle, direkt auf der Höhe vom Martinsloch, unterhalb des Segnespasses. Da sind oft Ju 52 vorbeigeflogen.

Was genau haben Sie gesehen?

Ich sah, wie sich die Ju 52 die letzten Meter senkrecht im Sturzflug befand und aufprallte. Es gab einen Riesenknall, dann eine Rauchwolke. Ein Feuer gab es erstaunlicherweise nicht. Die Trümmer lagen alle auf einem Haufen. Von der Kabine hat man nichts mehr gesehen. Die Flügel waren noch relativ intakt, wie man auch auf den Fotos sehen kann.

Wie konnten Sie so schnell am Absturzort sein?

Von meiner Hütte sind es nur 20 Meter bergauf bis zum Grat des Segnespass. Von dort sieht man rund 100 Meter tiefer auf ein großes Geröllfeld. Genau dort ist die Maschine abgestürzt.

Und dann sind Sie zum Geröllfeld hinuntergerannt?

Ich bin aus der Hütte den Pass hoch und habe noch ganz kurz gesehen, wie die Maschine auf dem Boden mit der Spitze aufschlug.

Waren Sie der Erste am Unfallort?

Nein. Vor mir waren schon andere da. Ich habe die Rettungswacht alarmiert. Unter meinen 15 Hüttengästen an diesem Tag waren auch vier junge Ärzte, die sofort mit meinem Bernhardiner zum Unglücksort gerannt sind.

Welcher Anblick bot sich ihnen?

Es war ein schrecklicher, grausamer Anblick. Nichts, über das man sprechen möchte.

Wann waren die ersten Rettungskräfte vor Ort?

Das ging alles sehr schnell. Der erste Rettungshubschrauber der Schweizerischen Rettungsflugwacht war nach 15 Minuten da. Danach waren drei, vier zivile Helikopter und zwei große Hubschrauber der Rettungswacht sowie ein Großaufgebot an Rettungskräften und Feuerwehrleuten im Einsatz. Man kann sich gar nicht vorstellen, was da oben von 17 bis 20 Uhr vor sich gegangen ist.

Wie kamen die Retter zum Absturzort? Gibt es eine Straße zum Segnespass?

Nein, weit und breit gibt es keine Straße. Man kommt dorthin nur zu Fuß oder mit dem Hubschrauber. Die Rettungskräfte – rund 40 Personen – kamen alle mit Helikoptern.

Sind inzwischen alle Flugzeugtrümmer weggeräumt?

Am Montag wurde der Großteil der Trümmer weggebracht. Das Militär hat einen Bagger hochgeflogen, weil die Motoren tief in den Boden eingedrungen sind. Deshalb auch der Bagger, um sie auszugraben. Die Unfallstelle hat man weiträumig abgesperrt. Uns wurde gesagt, dass sie bis heute Abend (8. August) vollständig geräumt und dann wieder frei zugänglich sein soll.

Zur Person: Raini Feldner

Raini Feldner (53) ist Hüttenwart und Besitzer der Segnespasshütte „Segnespass Mountain Lodge“, direkt unterhalb des Segnespasses.

Er hatte die 1944 errichtete Gebirgsunterkunft im Jahr 2001 aus den Beständen des Schweizer Militärs gekauft und jahrelang aufwendig renoviert.

Seit 2008 betreibt er die Berghütte, die Übernachtungsmöglichkeiten für zwölf Bergsteiger und Wanderer bietet.

Ein weiterer Zeuge meldet sich bei der Kantonspolizei

Nach Aussage des Einsatzleiters der Kantonspolizei Graubünden, Andreas Tobler, gab es noch weitere Augenzeugen. Der Züricher „Tagesanzeiger“ berichtet, dass ein Militärpilot aus der Region Films im Kanton Graubünden war gerade in seinem Garten, als er das laute Brummen der Ju 52 hörte.

Demnach hat der Mann zwischen 16.35 und 16.40 Uhr gesehen, wie das Flugzeug über das Tal von Elm flog, zu einer Linkskurve ansetzte – und dann plötzlich abrupt nach links vorne wegkippte. „Solche Manöver machte man früher, um den Ausfall eines Motors zu simulieren. Aber mit Passagieren macht das niemand“, sagte der Mann dem „Tagesanzeiger“.

Daraufhin habe der Motor laut aufgeheult. Sekunden später sei das Flugzeug wieder ausbalanciert gewesen und habe den Flug normal fort gesetzt.

„Das Flugzeug stürzt senkrecht ab“

Wenige Minuten später, zwischen 16.50 und 16.55 Uhr stürzte die Ju 52 senkrecht zu Boden. „Wahrscheinlich hatten die Piloten oben auf dem Berg nochmals dasselbe Problem und konnten das Flugzeug nicht mehr aufrichten“, erklärt der Augenzeuge gegenüber dem „Tagesanzeiger“.

Kippt das Flugzeug seitlich weg, würde sich die Nase gegen Boden senken, so der Militärpilot. „Wenn die Steuerung in dieser Situation versagt, stürzt man senkrecht ab.“