Wieso fühlen wir uns oft so minderwertig mit unserem schwäbischen Zungenschlag? Wieso dürfen die Norddeutschen Witzle über uns machen?
Das ist eine Wertung, die sich eingeschlichen hat. Wir haben offenbar das Gefühl, dass das Norddeutsche höherwertig ist. Obwohl wir uns hier im Alltag ja ganz ungezwungen bewegen. Das ist ein Phänomen, das ich mir nicht erklären kann. Eine Studie mit 250 Lehrern, denen wir 40 Sätze jeweils in einer norddeutschen und einer schwäbischen Variante vorgelegt haben, zeigt: immer wurde die norddeutsche Variante für höherwertig angesehen. Abendbrot wurde akzeptiert, Nachtessen nicht. Sehr eigenartig. In Bayern ist das nicht so der Fall. Ich sage übrigens bewusst Norddeutsch und nicht Hochdeutsch. Es ist ein Irrtum, dass die Hochdeutsch sprechen.

Seit zwei Jahren erforscht Ihre Arbeitsgruppe die Mundart im Nordosten Baden-Württembergs. Was schwätzt man denn hier noch außer Schwäbisch und Badisch?
Die Stuttgarter denken ja eher nur an das Schwäbische, aber das umfasst nur gut die Hälfte der Mundarten in Baden-Württemberg. Badisch gibt es überhaupt nicht. Das eine ist ein sprachlicher Begriff und das andere ein politischer.

Also, dann sagt man: Schwäbisch und Alemannisch?
Ja. Aber da kommt das nächste Problem. Denn Schwäbisch und Alemannisch gehören beide zu den alemannischen Dialekten. Deshalb nimmt man bei den alemannischen Dialekten immer noch einen Zusatz, also oberrhein-alemannisch oder bodensee-alemannisch. Und man darf die Franken da oben nicht vergessen. Die gehören auch zu Baden-Württemberg, und das Gebiet ist relativ breit. Die Grenze zwischen dem Fränkischen und dem Schwäbischen ist überhaupt die schärfste, die wir in Baden-Württemberg haben (zeigt mit dem Finger eine dicke Linie auf dem Sprachatlas zwischen Crailsheim und Ellwangen). Das weiß auch jeder, der hier wohnt. Fast auf den Zentimeter genau.

Ah, jetzt dämmert mir etwas. Mein Uropa, der Vater meiner Großmutter. Sie hat immer so betont, dass er aus Crailsheim stammte und so ganz anders gesprochen habe als in Süßen üblich.
Das sind natürlich Welten. Da gibt es Hunderte von Lautunterschieden und auch im Wortschatz. Das versuchen wir übrigens grade herauszukriegen, weil das noch niemand gemacht hat.

Und diese Unterschiede gibt es noch?
Ja, unbedingt. Diese Dialektgrenze stammt vermutlich noch vom Beginn der Besiedlung. 1500, 1200 Jahre alt.

Das ist ja Archäologie!
Ja, das ist Archäologie, aber wir Sprachforscher kommen besser an die Sachen ran als die Archäologen. In Vorarlberg kommen wir sogar bis in die Zeit der Römer. Ich bin mir sicher, wir kriegen das auch hier raus. Es gibt bestimmte Wörter, die muss man abfragen: Geräte und Gefäße, die Worte bleiben Jahrtausende haften.