Am Samstag trifft der 43 Jahre alte Profiboxer Firat Arslan aus Donzdorf in der Schleyerhalle auf den Weltmeister Marco Huck. „Mit seinem unbändigen Willen kann Firat gar nicht verlieren“, sagt Arslans Trainer Dieter Wittmann im StZ-Interview.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)
Stuttgart – - Marco Huck gegen Firat Arslan – das ist das Duell eines 29-jährigen Weltmeisters und Haudraufs gegen einen 43 Jahre alten Boxveteranen mit einem schier grenzenlosen Willen. Im November 2012 siegte Huck im ersten Kampf skandalös nach Punkten. „Firat hat sein Potenzial jetzt erstmals zu 99 Prozent ausgeschöpft“, sagt Arslans Trainer Dieter Wittmann vor dem Rückkampf am Samstag (22.10 Uhr/ARD) in der Schleyerhalle.
Herr Wittmann, Sie sind ein sehr enger Freund und inzwischen auch der Trainer von Firat Arslan. Aber kennen gelernt haben wir Sie als der Mann mit dem Handtuch, oder?
Das stimmt. Und wie immer bei Firats Kämpfen habe ich auch auf dieser Position Vollgas gegeben. Eigentlich hätte ich mir meine Technik patentieren lassen sollen. Denn sehr viele Leute schwingen das Handtuch in den Rundenpausen falsch. Man muss von unten nach oben wedeln, so kriegt der Boxer den meisten Sauerstoff. Außerdem habe ich das Handtuch stets etwas nass gemacht. Dann ist es schwerer – und man kommt auf mehr Umdrehungen.
Inzwischen sind Sie der Cheftrainer. Haben Sie für das zweite Duell gegen Marco Huck auch einige Kniffe in der Ringecke parat?
Der einzig wahre Trainer, den Firat jemals hatte, war er selber. Aber ich kann versprechen, dass wir am Samstag einen neuen Firat sehen werden, mit ganz neuen Bewegungsabläufen. Mehr möchte ich nicht verraten. Nur soviel: Es wird eine dicke Überraschung für Marco Huck geben, denn Firat hat sein Potenzial jetzt erstmals zu 99 Prozent ausgeschöpft. So weit war er in seiner Karriere noch nie.
Ist es nicht so, dass ein Trainer im Boxen vor jedem Kampf das gleiche sagt, nämlich: Unser Mann ist in der Form seines Lebens?
Firat ist derzeit einfach super drauf. Natürlich hat er auch im ersten Kampf im November 2012 grandios gekämpft. Er hat Marco Huck mit seinem offensiven Kampfstil regelrecht erdrückt und zermürbt. Der hat als Weltmeister überhaupt keine Mittel dagegen gefunden. Vielleicht auch, weil Huck die Amateurschule fehlt und er sich daher während eines Kampfes nicht umstellen kann. Wenn es anders läuft, als er sich das vorstellt, kriegt Marco Probleme. Huck war für mich damals ein klassischer Boxer in Panik. Ich habe später auf dem Video gezählt, dass Firat 260 Treffer mehr hatte als Marco. Der Sieg gehörte damals ganz klar uns. Hucks Punkterfolg war ein extrem unfaires Urteil.
Bis auf den ARD-Experten Henry Maske waren sich im westfälischen Halle ja auch die Journalisten am Ring gleich einig, dass Huck keinesfalls gewonnen hatte.
Sehen Sie. Ich wurde nach dem Kampf in Göppingen sogar auf der Straße von einigen älteren Damen angesprochen, die nur Boxen anschauen, weil Firat aus der Gegend kommt. Selbst die haben gesagt: „Da seid ihr aber ganz schön beschissen worden“.
Das haben Sie unmittelbar nach dem Kampf ja auch der übertragenden ARD und dem veranstaltenden Sauerland-Stall vorgeworfen, die Sie vor laufenden Kameras „Betrüger“ genannt haben. Sind Sie da nicht übers Ziel hinaus geschossen?
Mein Statement war einige Tage auf Youtube im Internet zu sehen, ehe es aus urheberrechtlichen Gründen aus dem Netz genommen wurde. Es hatte bis dahin sehr viele Klicks. Ich habe mich aber gleich nach dem Kampf auf der Pressekonferenz beim ARD-Vorsitzenden entschuldigt.
Hat es dem Team Arslan letztlich überhaupt geschadet, verloren zu haben. Inzwischen boxt Ihr Schützling selbst für Sauerland – und wer weiß, ob es den Rückkampf gegeben hätte, wenn Arslan gewonnen hätte.
Der Gewinn des WM-Gürtels steht über allem. Mir wäre es daher um einiges lieber, wir würden den Titel, der uns ja eigentlich gehört, jetzt das zweite oder dritte Mal im Ring verteidigen. Für Firat ist das Boxen immer eine Sache der Ehre gewesen. Aber er ist auch ein Profisportler, da geht es auch ums Geld. Firat muss alles, sämtliche Ausgaben während seiner Vorbereitung wie etwa die Gage der Sparringspartner, aus seiner eigenen Tasche vorstrecken. Da ist ihm finanziell viel verloren gegangen durch den entgangenen WM-Titel. Aber auch durch die Kampfabsage von Marco Huck im September wegen einer Ellenbogenverletzung.
Das bedeutet, Ihr Boxer ist finanziell nicht auf Rosen gebettet? Sein Berater Christoph Schickardt, der auch Luan Krasniqi betreut hat, sagt, Arslan habe noch nicht das Geld verdient, das er verdient hätte.
Das stimmt. Firat ist in seiner Karriere ein Spätstarter, wurde erst mit 37 Jahren Weltmeister. Dann konnte er noch zweimal um die WM kämpfen. Es kamen also im Ganzen nicht die Summen rein, bei denen man sagen kann: Ich habe jetzt das Geld für meinen Lebensabend verdient – und kann mich finanziell zur Ruhe setzen.
Viele Leute freuen sich auf den Kampf, weil sie ein Duell auf Biegen und Brechen erwarten. Huck, der harte Schläger, gegen den willensstarken Arslan, der nicht zurücksteckt. Macht es Ihnen keine Sorgen, dass Ihr Boxer sein Limit überschreiten könnte?
Firat hat einen so unbändigen Willen, dass ich es gar nicht für möglich halte, dass Marco ihn k.o. schlägt. Firat hat eine starke Psyche. Man kann ihn nicht klein kriegen.
Ist das nicht gerade die Gefahr. Oder anders gefragt: Hätten Sie den Mut, einen Kampf auch gegen seinen Willen abzubrechen? Es geht ja, wie gesagt, um viel Geld.
Ich hoffe nicht, dass es diesen Tag je geben wird. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen. Falls doch, ist es natürlich meine Verantwortung, zu sagen: „Stopp. Für dich geht es hier nicht mehr weiter“. Schließlich gibt es ein Leben nach dem Boxen, in dem ich einen gesunden Firat haben will.
Es hat den Anschein, als habe Marco Huck Ihren Freund im ersten Duell nicht ganz ernst genommen. Er ist zwar Antialkoholiker, hat aber gesagt, er sei quasi aus der Kneipe kommend in den Ring gestiegen.
Das ist natürlich Geschwätz. Die Sportler kennen einander ganz genau. Und jeder Cruisergewichtler auf der Welt weiß, dass Firat ein äußerst unangenehmer Gegner ist, weil er eine extreme Härte hat und im Ring pausenlos marschiert.
Was halten Sie von Marco Huck?
Eines muss man sagen: Marco ist als Boxer ein sehr harter Junge. Er kann austeilen, hat aber auch Nehmerqualitäten. Mit den wenigen Mitteln, die er als Boxer besitzt, hat er sehr viel erreicht. Davor ziehe ich meinen Hut. Als Person bin ich aber weniger von ihm begeistert. Eigentlich wären wir jetzt die Weltmeister, wenn es in Halle fair abgelaufen wäre. Seine Reaktion, als er sich nach Kampfende feiern ließ, obwohl er wusste, dass er verloren hat, zeugt von wenig Courage. Dabei sah er nach dem letzten Gong aus, als hätte ein Panzer auf seinem Kopf eine Pirouette gedreht.
Auch die Fans vor Ort haben Huck ausgepfiffen, obwohl der Kampf nahe seiner Wahlheimat Bielefeld stattfand.
Ich hätte Marco die Haltung seines Trainer Ulli Wegner gewünscht. Das hatte Größe. Der Ulli hat gleich gesagt, er möchte sich zu dem Urteil nicht äußern. Das hätte ich auch von Marco erwartet. Oder er hätte sagen können: Okay, das war ein Fehlurteil, aber ich kann nix dafür.
Ulli Wegner hegt ja durchaus Sympathien für das Team Arslan. Aber aus einer väterlichen Position heraus, also ein wenig von oben herab. Was halten Sie von ihm?
Für viele im Boxen gelten wir ja als das Herzblut-Team, weil wir diesen Sport aus Leidenschaft betreiben, und zwar lange ohne einen großen Boxstall im Rücken. Der Ulli ist für mich eine Koryphäe. Er ist die klare Nummer eins unter den Trainern, bei den vielen Erfolgen. Und er hat trotz seines fortgeschrittenen Alters noch viele Ideen im Kopf. Das gefällt mir. Aber vor dem Kampf gegen Firat sage ich ihm sehr deutlich: „Du heißt Ulli Wegner – und nicht Harry Potter. Zaubern kannst auch du nicht“.