Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
War somit auch die Abschaffung der Wehrpflicht nicht bis zum Ende durchdacht?
Eine Freiwilligenarmee ist grundsätzlich teurer als die Wehrpflicht und erfordert erhebliche Anstrengungen, um einen aufgabengerechten Umfang und die notwendige Qualität zu halten. Leider stand die Abschaffung der Wehrpflicht bereits am Anfang der Reform, ohne Klarheit über die notwendigen Konsequenzen. Ich will nicht ausschließen, dass diese Empfehlung auch am Ende gekommen wäre. Das Problem ist nun, dass wir Vorsorge für den nötigen Personalbestand treffen müssten, dies aber nicht tun. Zudem werden wir auch qualitativ in die Knie gehen – das Absenken der Tauglichkeitsstufen ist ein Indiz dafür.
Würde es auch mit einer Freiwilligenarmee gehen?
Erstens habe ich am Anfang der Reform gesagt: 190 000 bis 195 000 Freiwillige und Berufssoldaten einschließlich eines gut ausgebildeten Reservistenpotenzials wären nötig. Jetzt sind wir 170 000 als Zielgröße. Davon stehen 37 000 für Einsätze nicht zur Verfügung, weil sie turnusgemäß in der Ausbildung sind oder sich auf einen Zivilberuf vorbereiten. Abzüglich der Soldaten in Stäben und Ämtern sind somit weniger als die Hälfte der Zeit- und Berufssoldaten für Einsätze einplanbar. Wegen der dramatischen Verkleinerung und weil die Nachwuchsgewinnung nicht optimal läuft, haben wir erhebliche Personalprobleme – vor allem bei den Spezialisten. Die Flexibilität von früher gibt es heute nicht mehr. Zweitens müssten die Streitkräfte mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung anders strukturiert sein. Und drittens müsste endlich für eine moderne, leistungsfähige Ausrüstung und Bewaffnung gesorgt werden. In einigen Bereichen wurden in den letzten Jahren Verbesserungen erzielt, aber insgesamt gehört die Bundeswehr nicht zu den moderner ausgerüsteten Streitkräften.
Auch mit Blick auf neue Afrika-Einsätze machen die Verbündeten Druck, damit sich die Deutschen mehr einbringen. Muss sich die Bundeswehr weltweit auf immer neue Schauplätze einstellen?
Das würde ich nicht ohne weiteres so sehen. Leitlinie sind unsere nationalen Interessen und die Solidarität mit unseren Verbündeten. Bisher ist es so, dass wir außer der Ankündigung einer Abkehr von der Kultur der militärischen Zurückhaltung konkret noch keine Veränderung gesehen haben. Es hätte die Möglichkeit gegeben, dies in Afrika zu dokumentieren, doch ist die alte politische Linie in der Praxis weitergeführt worden. Wir erleben also eine Ankündigungspolitik, die sich in der Umsetzung noch nicht manifestiert hat. Im Gegenteil: Es ist nach wie vor so, dass wir uns nicht an die Regeln in EU und Nato halten. Wir nehmen für uns ein Sonderrecht in Anspruch, indem wir bereits bei der Grundsatzentscheidung und noch bevor klar ist, wie und mit welchen Kräften dieser Beschluss umgesetzt werden soll, öffentlich erklären, was wir nicht machen werden.