Der eine macht den Regen, und der andere hat die Hacke in der Hand.
Raff Und wenn einer von uns zwei vier Wochen lang nicht schafft, dann gute Nacht.
Frau Menez, Gerhard Raff ist ein Stuttgarter Urgewächs – wie verlief Ihre Familiengeschichte?
Menez Meine Eltern waren Gastarbeiter, die Anfang der siebziger Jahre nach Deutschland kamen. Mein Vater war Gastronom, er führte in Esslingen ein jugoslawisches Restaurant. Anfangs träumte er davon, irgendwann nach Kroatien zurückzukehren und in Split etwas zu eröffnen. Aber dann kam es anders. Ich hatte das Schicksal vieler Gastarbeiterkinder und lebte die ersten zweieinhalb Jahre bei meiner Oma in Kroatien, dann holten mich meine Eltern nach Deutschland.
Konnten Sie damals schon ein paar Brocken Deutsch?
Menez  Ich sprach kein einziges Wort. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Tag im Kindergarten, weil ich Durst hatte und es nicht sagen konnte. Ein deutsches Mädchen verstand meine Zeichensprache und gab mir aus seiner Flasche etwas zu trinken. Anschließend lernte ich die Sprache ratzfatz.
Ein Blick auf Stuttgart heute: bunter könnte die Stadt kaum sein. Hier leben viele, deren Großeltern oder Urgroßeltern nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Ostgebieten vertrieben wurden. Später kamen Gastarbeiter aus Südeuropa. In den neunziger Jahren flohen die Menschen vom Balkan, heute fliehen sie aus verschiedenen Krisenregionen der Welt.
Mir scheint es, als ob viele Zuwanderer, die lange hier leben, breiteres Schwäbisch schwätzen als Alteingesessene.
Raff Das ist richtig. Auf der Oberschule wird einem ja das Schwäbisch ausgetrieben, doch bei mir haben sie es nicht geschafft. Als ich jung war, sind die Gastarbeiterkinder mitten unter uns aufgewachsen, ich habe mit denen gespielt, da gab es keine Schranken, wir waren eine Gemeinschaft. Die Jungen haben von uns auf der Straße Schwäbisch gelernt. Und noch heute schwätzt der italienische Salvatore schöner Schwäbisch als so mancher eingebildete Alteingesessene.
Menez Wobei ich das auch anders kenne. Manche Zuwanderer reden ganz bewusst Hochdeutsch, weil sie nicht wollen, dass man bei ihnen den Dialekt heraushört.
Haben Sie oder Ihre Familie sich jemals fremd gefühlt in der neuen Heimat?
Menez Meine Eltern haben mir erzählt, dass sie sich hier schnell wohlgefühlt haben, deshalb erledigten sich die Gedanken an eine Rückkehr rasch. Ich habe nie Vorbehalte mir gegenüber gespürt, weder in der Schule noch danach. Die kroatische Mentalität, das Herzliche, ist mir noch immer nah. Aber meine Heimat ist Stuttgart, das ist für mich die schönste Stadt.
Raff  Und das aus dem Mund einer so Weitgereisten.
Menez   Für mich stimmt es einfach.
Raff Eine Kosmopolitin mit kroatischem Migrationshintergrund und deutsch-französischem Ehemann bezeichnet Stuttgart als schönste Stadt der Welt.