Der frühere Landesfinanzminister Gerhard Stratthaus plädiert im StZ-Interview für eine „weiche“ Umschuldung Griechenlands. 

Stuttgart - Gerhard Stratthaus beschreibt den Weg für eine weiche Umschuldung. Banken und Investoren sollten griechischen Papiere länger halten und bekommen dafür Garantien der Euroländer.

 

Herr Stratthaus, Griechenland soll weitere Finanzspritzen der Euroländer über rund 90 Milliarden Euro benötigen. Ist ein zweites Hilfspaket für Athen vermittelbar?

Das ist wirklich sehr schwer, aber Europa ist mehr als der Euro. Europa ist unsere Zukunft. Dennoch: zurzeit geht es angeblich nur um Garantien, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Griechenland die Schulden nicht voll bedienen kann. Das ist dem deutschen Steuerzahler auf Dauer nicht zu vermitteln.

Seit mehr als einem Jahr versuchen die Euroländer, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Ein verlorenes Jahr?

Das muss man differenziert sehen. In Griechenland lebten nach der Euroeinführung der Staat und die Privatleute mit Schulden weit über ihre Verhältnisse. Anders die Lage in Irland. Der irische Staatshaushalt war bis zur Finanzkrise solider als der deutsche. Die irische Regierung hat aber für den überdimensionierten und überschuldeten Bankensektor garantiert und musste diesen dann mit Staatsschulden finanzieren. Leider ist in Griechenland kaum eine Besserung in Sicht, Irland macht beachtliche Fortschritte.

Sollte man Griechenland erneut helfen?

Würde man Griechenland in die Pleite schicken, hätte dies gravierende Auswirkungen auf Europa. Wir müssen andererseits eines sehen: einfach immer nur Geld zu geben nützt nichts. Griechenland ist praktisch zahlungsunfähig. Wenn ein Schuldner pleite ist und ihm neues Geld gegeben wird, muss er die Gründe beseitigen, die zur Pleite geführt haben. Das heißt: Griechenland muss an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Die Euroländer können das Land einige Zeit unterstützen, doch in absehbarer Zeit muss das Land wieder selbst zurechtkommen. Dabei kann ich mir vorstellen, dass ein Schuldenschnitt notwendig wird, bei dem die Gläubiger Verluste mittragen müssen.

Ist es sinnvoll, gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen?

Ein unkontrollierter Bankrott hätte unabsehbare Folgen für die weltweiten Märkte und unser Finanzsystem. Wo ein Schuldner ist, gibt es auch Gläubiger. Auch deutsche Banken, Versicherungen und Kapitalinvestoren haben Griechenland Geld geliehen. Dennoch können wir auf Dauer so nicht weitermachen.

Wie kann eine Lösung aussehen?

Ich kann mir eine Lösung vorstellen, die dem Vorgehen bei den so genannten Bad Banks ähnelt. Dabei nehmen die Banken ihre problematischen Wertpapiere aus der Bilanz und geben sie in eine Abwicklungsgesellschaft. So ähnlich könnten wir auch mit Griechenlandkrediten verfahren. Praktisch könnte das so laufen: die Laufzeiten der griechischen Schuldverschreibungen werden verlängert. Dann erhalten die Investoren der Papiere von den Euroländern, dem Internationalen Währungsfonds oder der EU die Zusage, dass diese Schuldverschreibungen garantiert werden. Damit würden Griechenland Zeit gewinnen, die Probleme über einen längeren Zeitraum hinweg zu lösen. Entscheidend ist: Griechenland muss seine Wirtschaftsstruktur verbessern. Wenn es das nicht macht, steht es in einigen Jahren so schlecht da wie heute.

Kann ein Land seine Schuldenprobleme dadurch lösen, dass es drakonisch spart und damit die Binnenkonjunktur abwürgt?

Griechenland hatte in den letzten zehn Jahren viel höhere Lohn- und Preissteigerungen als beispielsweise Deutschland. Hätte das Land noch die Drachme als Währung, würde deren Außenwert sinken. Das ist jetzt jedoch nicht mehr möglich. Deswegen müssen Preise und Einkommen in Griechenland sinken. Nur so wird das Land wettbewerbsfähig. Das klingt hart, aber anders gibt es keine Lösung.

Bis jetzt tragen die Steuerzahler die Hauptlast der Sanierung. Die Bundesregierung will die privaten Gläubiger stärker beteiligen. Führt das nicht zu neuer Verunsicherung an den Finanzmärkten?

Die Märkte werden dadurch möglicherweise verunsichert. Doch es kann für sie auch eine Lehre sein, künftig bei der Kreditvergabe vorsichtiger zu sein. Es widerspricht doch jedem Rechtsempfinden, dass Private verdienen und der Steuerzahler die Zeche zahlt .

Könnten die Banken und Versicherungen eine Umschuldung der griechischen Schulden verkraften?

Die deutschen Banken können das, die französischen wahrscheinlich auch. Die größten Probleme würden voraussichtlich die griechischen Banken bekommen, die wiederum Schuldner bei anderen Kreditinstituten sind. Dennoch halte ich die Folgen für begrenzt: Griechenland hat ein wesentlich geringeres Bruttoinlandsprodukt als Baden-Württemberg.

Gefragter Ratgeber

Funktion: Gerhard Stratthaus, 69, zieht sich im Juli aus der Führung des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin zurück. Sein Landtagsmandat wird der CDU-Politiker und frühere baden-württembergische Finanzminister behalten. Der 69-jährige Finanzfachmann ist gefragter Ratgeber in der Euro- und Bankenkrise.

Ansichten: Stratthaus ist der Ansicht, dass die Politik in einer verständlichen Sprache über die europäischen Herausforderungen in der Finanzpolitik informieren sollte.

Umschuldung im Gespräch

Beteiligung: Trotz Widerstands aus EZB mehren sich die Stimmen für eine sanfte Umschuldung Griechenlands. Daran führe kein Weg vorbei, wenn das Land vor der Pleite bewahrt werden solle, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Wie Finanzminister Wolfgang Schäuble plädierte er erneut für eine Beteiligung privater Gläubiger. Im Gespräch ist, dass die Banken freiwillig einer Verlängerung der Laufzeit griechischer Kredite zustimmen.

Befürworter: Für eine solche Lösung plädiert der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager. Auch EZB-Ratsmitglied und Bundesbankpräsident Jens Weidmann zeigte sich für eine Beteiligung privater Gläubiger grundsätzlich offen, da dies die Steuerzahler entlaste.