Gregor Gysi hat vor der Kanzlerin Angela Merkel Respekt. An ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück lässt er im StZ-Interview dagegen kein gutes Haar. Eine Koalition mit der SPD strebt er trotzdem an.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die SPD lehnt eine Koalition mit den Linken ab. Doch das will Gregor Gysi, der Spitzenkandidat der Linkspartei, nicht so stehen lassen. Er setzt auf produktive Unruhe nach der Wahl. Gregor Gysi ist der wichtigste Wahlkämpfer der Linken. Vor Angela Merkel hat er Respekt. An ihren SPD-Herausforderer Peer Steinbrück lässt er dagegen kein gutes Haar. Warum er dennoch mit der SPD koalieren will, erläutert er im STZ-Gespräch.

 
Herr Gysi, Sie treten an, um ausgerechnet die erste Ostdeutsche an der Spitze der Regierung aus dem Amt zu kippen. Plagt Sie da kein schlechtes Gewissen?
Keineswegs. Frau Merkel hat im Wahlkampf 2009 allen Ost-Rentnern erklärt, dass sie die Rentenwerte angleichen wird und das nicht eingelöst. Zur Demokratie gehört, dass man gewählt und dass man abgewählt werden kann. Da hält sich mein Mitleid in Grenzen.
Angela Merkels ostdeutsche Sozialisation ist immer wieder Thema. Zuletzt hat der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vermutet, die Kühle der Kanzlerin gegenüber Europa habe darin ihre Ursache. Wo erkennen Sie die ostdeutsche Sozialisation in der Politik der Kanzlerin?
Wenn jemand kühl ist, ist es Herr Steinbrück. Was der zu Europa gesagt hat, ist einfach falsch. Die Ostdeutschen wünschten sich geradezu, Europäer zu werden. Die Aussage zeigt, dass Steinbrück vom Osten keine Ahnung hat. Merkels Herkunft spiegelt sich schon in ihrer Politik. Allerdings macht sie ständig den Fehler, in Baden-Württemberg oder Bayern so zu tun, als habe sie fast nichts mit Ostdeutschland zu tun. Mir zaudert sie zu viel. Das macht ihre Politik wenig berechenbar.