Haben Sie mit der früheren Ministerpräsidentin auch darüber gesprochen, wie die schon lange geforderte Verlegung in die Berliner Charité vonstatten gehen könnte?
Sie hat mir gesagt, ihr wäre eine Behandlung an einem Ort, an dem sie allen vertrauen kann, lieber. Sie hat mir aber auch gesagt, dass Janukowitsch gerade am Vortag erneut verkündet hat, dass sie in allen Anklagepunkten überführt sei und deswegen das Gefängnis nicht verlassen werde.

Werden die entsprechenden Bemühungen dennoch weitergehen?
Sie muss die bestmögliche Behandlung bekommen unter den Bedingungen, die wir haben. Bessere Bedingungen wären möglich. Ob es gut wäre, dass sie das Land verlässt, weil sie dann ja vielleicht gar nicht mehr zurückkommen kann, steht auf einem anderen Blatt. Das sind die Gedanken, die sie sich darüber gemacht hat.

Wie war generell Ihr Eindruck von den Bedingungen in dem Gefängniskrankenhaus von Charkow, wo Julia Timoschenko bestraft und behandelt wird?
Es gibt drei Kameras an der Decke über ihrem Bett, die gewährleisten, dass sie Tag und Nacht von Wachmännern von oben beobachtet werden kann. Ihr Zimmer hat Milchglasscheiben – sie kann also nicht nach draußen gucken. Ich habe nur einen Therapieraum gesehen, in dem das Fenster geöffnet werden kann, um Sonnenlicht hereinzulassen. Da gibt es also schon Besonderheiten in diesem Krankenhaus.

Was hat Sie am meisten beeindruckt bei diesem Besuch?
Am meisten beeindruckt war ich davon, dass Julia Timoschenko zwar noch nicht wieder gesund ist, dass sie aber wieder die starke Person ist, als die ich sie schon 2004 während der Orangenen Revolution kennengelernt habe. Und sie hat ein großes Interesse daran, ihren Kollegen, die ebenfalls inhaftiert sind, zu helfen. Sie hat mich eindringlich gebeten, dass die EU nicht nur in ihrem Fall tätig wird. Und dann hat mich auch beeindruckt, wie intensiv sie die politische Boykottdebatte in Europa und speziell in Deutschland verfolgt hat, und wie weit ihre Gedanken reichen für eine bessere Zukunft der Ukraine.

Die EU hat zur Bedingung für bessere Beziehungen zum größten Land des Kontinents gemacht, dass auch Timoschenko die Möglichkeit haben muss, bei den Wahlen im kommenden Herbst anzutreten. Wie bewerten Sie nach ihrem Besuch die Chancen dafür? Will Sie überhaupt antreten? Haben Sie darüber gesprochen?
Natürlich würde sie antreten wollen. Sie hat mir aber auch gesagt, dass die Frage, ob die Opposition antritt, nicht davon abhängen darf, ob sie freigelassen wird. Sie denkt viel weniger an sich als an das Ganze.

Der Ablauf der Wahlen wird dennoch entscheidend für das weitere Verhältnis mit Europa sein.
Die Wahlbeobachtung in der Ukraine muss viel früher und intensiver anfangen. Wir müssen im Vorfeld beobachten, mit welchen Mitteln Janukowitschs Partei sich Zustimmung sichert. Welche Versprechen wo mit welchem Geld unterlegt werden.

Viktor Janukowitsch muss große Angst vor Julia Timoschenko haben.
In der ukrainischen Opposition ist Julia Timoschenko das, was Andrej Schewtschenko im ukrainischen Fußball ist.