Das Ziel einer solchen Kandidatur könnte doch nur sein, den Grünen vor dem zweiten Wahlgang politische Zugeständnisses abzuringen. Welche?
Wir haben ja nun auch mit Bettina Wilhelm eine von der SPD nominierte Bewerberin, die bei der Volksabstimmung gegen Stuttgart 21 gestimmt hat. Aber noch mal: es geht nicht nur um Stuttgart 21, es geht um eine andere Politik. Da müsste dann schon mehr herausspringen.

Klar ist doch aber auch, dass sich der Tiefbahnhof nicht mehr verhindern lässt.
Das mögen die CDU, die Grünen und andere gerne behaupten. Ich kann doch politische Handlungsoptionen nicht von vornherein ausschließen.

Welche Optionen sehen Sie denn da noch?
Wenn ein „echter“ Stuttgart-21-Gegner OB in Stuttgart wird, ist aus meiner Sicht das Projekt politisch tot. Das würde eine ungeheuere Dynamik entfalten. Es reicht nicht aus, dass die Bahn selbst gerade alles versemmelt, es braucht auch den politischen Druck. Die Bahn weiß, dass ein so anspruchsvolles und so knapp kalkuliertes Projekt mit einem Partner, der nicht mitzieht, nicht zu realisieren ist. Zudem gibt es Möglichkeiten für den OB, der Bahn etwa beim Thema Grundwassermanagement genauestens auf die Finger zu sehen. Womöglich gibt es sogar weitere juristische Optionen, etwa in der Frage der Mischfinanzierung. Und an dieser Stelle müssten sich dann eben auch ein Fritz Kuhn, der sich ja als Projektgegner bezeichnet, oder eine Bettina Wilhelm entsprechend klar positionieren.

Die Zahl der Demonstranten und Demonstrationen gegen Stuttgart 21 hat seit der Volksabstimmung deutlich abgenommen. Glauben Sie denn wirklich, dass das Thema noch zum Wahlkampfschlager taugt?
Die Volksabstimmung hat dazu geführt, dass es für die Projektbefürworter und diejenigen, die das Thema vom Tisch haben wollten wie die grün-rote Landesregierung, leichter geworden ist. Ich stelle aber fest, dass viele Menschen das Projekt nach wie vor ablehnen. Die Volksabstimmung hat den Konflikt in keiner Weise gelöst. Die Kosten sind nach der Hälfte der Vergaben schon explodiert, und das obwohl noch gar nicht mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen worden ist. Die Abholzung des Mittleren Schlossgartens ist ja erst der Anfang der Zerstörung. Ich glaube, dass die Leute wieder einen Anlass brauchen, um ihren Protest gegen diesen Unsinn zu artikulieren – die OB-Wahl wäre aus meiner Sicht ein solcher Anlass.
Das Gespräch führte Thomas Braun.