Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart 21 war für die evangelische Kirche eine innere Zerreißprobe. Ist man da gut durchgekommen? Oder würden Sie heute manches vielleicht anders machen?
Kritisch mir gegenüber sage ich im Rückblick: Ich habe zu spät gemerkt, welcher Sprengstoff in dem Thema steckte. Wir hätten daran anknüpfen können, was die evangelische Kirche schon 1996 an Diskussionsprozessen zu dem Thema hatte. Mein Vorgänger Martin Klumpp hatte auf der Ebene des Stadtverbandes eine Arbeitsgruppe einberufen, es gab Gespräche mit der Stadt, die Gemeinden wurden aufgerufen, es gab Fragelisten an die Bahn. Nur hat das damals niemanden interessiert, und alles ist wieder in sich zusammengesackt. Als es dann wieder Ernst wurde, habe auch ich die Brisanz zu spät bemerkt. Wir hatten übrigens auch eine interne Abstimmung mit dem katholischen Stadtdekan Brock, dass wir uns inhaltlich nicht äußern.

Was Ihnen viele übel genommen haben.
Inhaltlich sage ich damals wie heute: Ich habe kein Mandat, mich zu dem Projekt zu äußern. Was ich als politischer Mensch denke, ist eine ganz andere Frage, hier geht es ja immer um meine Rolle als Stadtdekan. Und die war klar: Die Leute sollen miteinander reden und sich nicht als Feinde betrachten. Diese Linie haben wir auch durchgehalten. Der 30. September hat uns dann alle überrascht. Ich war mit dem Kollegen Brock ja im Schlossgarten, wir haben die Kälte der Administration des Landes und der Polizei gespürt.

Hat Sie geärgert, dass sich Ihr Vorgänger Martin Klumpp in der Angelegenheit nicht so zurückgehalten hat?
Das war nicht einfach. Mich hat die theologische Begründung geärgert. Man sollte vorsichtig sein mit dem Vergleich des Tiefbahnhofs mit dem Turmbau zu Babylon.

Die Angriffe, die Sie aushalten mussten, waren ja durchaus heftig.
Sehr geärgert hat mich der Vorwurf, ich hätte mich nicht klar genug vom Polizeieinsatz am 30. September distanziert. Das empfand ich als eine Frechheit. Ich war der erste, der sich öffentlich distanziert hat.