Exklusiv Der Energieexperte Michael Bräuniger vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut fordert eine europaweit einheitliche Förderung Erneuerbarer Energien. Die deutsche Ökostromförderung sei extrem ineffizient und teuer, kritisiert der Ökonom.

Stuttgart – - Michael Bräuninger hält die jüngsten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für nicht weitreichend genug. Herausgekommen sei am Ende nur eine Minimalreform, kritisiert der Energieexperte des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.
Herr Bräuninger, kaum ist die Reform des EEG beschlossen, droht neuer Ärger: Der EuGH könnte entscheiden, dass auch ausländische Ökostromerzeuger, die Strom nach Deutschland liefern, die hiesige Förderung erhalten müssen. Überrascht Sie das?
Nein. Das ergibt sich aus den EU-Wettbewerbsregeln. Das Beispiel zeigt zudem, wie absurd eine rein nationale Energiepolitik in einem offenen Markt ist.
Ist der europäische Strommarkt wirklich ein offener Markt?
Noch nicht ganz. Es gibt noch technische Hindernisse. An vielen Stellen fehlen Verbindungsleitungen für den Transport des Stroms zwischen Ländern und Regionen. Dadurch gibt es Engpässe beim europaweiten Stromaustausch. Diese Lücken sollten schnell geschlossen werden. Wegen der unregelmäßigen Stromerzeugung aus Wind und Sonne sollte das Netz möglichst groß sein. Wenn bei uns kein Wind weht, scheint in Spanien vielleicht die Sonne und man kann von dort Strom importieren.
Glauben Sie, dass die EU die jüngste EEG-Reform akzeptieren wird?
Das ist schwer abzuschätzen. Zumindest spricht einiges dafür, dass Brüssel die Ausnahmeregeln für die energieintensive Industrie durchgehen lässt. Die Befreiung von Großverbrauchern von der EEG-Umlage ist ökonomisch und inhaltlich gerechtfertigt.
Importstrom, der an deutsche Kunden geht, wird ebenfalls mit der EEG-Umlage belastet. EU-Wettbewerbskommissar Almunia sieht darin eine Art Steuer, die ausländische Stromerzeuger benachteiligt.
Das verstehe ich nicht. Die Umlage wird ja auch auf den im Inland produzierten Strom aufgeschlagen. Von daher wird ausländischer Strom dadurch nicht schlechter gestellt. Umgekehrt muss dann aber auch die hiesige Einspeisevergütung für importierten Ökostrom gezahlt werden.
Dann könnte jeder Ökostromproduzent in Europa sagen: Ich exportiere meinen Strom nach Deutschland, weil da die Vergütung am höchsten ist.
Im Prinzip ja – sofern die Netzstruktur das zulässt. Für das wichtigste Ziel der Energiewende – die Senkung des CO2-Ausstoßes – ist es ja auch völlig egal, ob wir spanischen oder deutschen Ökostrom bekommen, zumal sich Solarstrom in Spanien viel billiger erzeugen lässt als hierzulande.
Das würde aber den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland bremsen.
Natürlich. Aber ist es überhaupt sinnvoll, möglichst viel Ökostrom in Deutschland produzieren zu wollen? Unser Ziel sollte doch sein, möglichst günstig an sauberen Strom zu kommen.
Die Energiewende hat aber auch das Ziel, unabhängiger von Energieimporten, eines Tages vielleicht sogar energieautark zu werden.
Als Land, das vom Export lebt und in einigen Branchen 80 oder 90 Prozent seiner Güter im Ausland verkauft, sollten wir weniger über Autarkie reden, sondern für offene Märkte plädieren.
Wenn jeder Ökostrom nach Deutschland liefern kann, laufen die Förderkosten komplett aus dem Ruder.
Dann müssten wir die Vergütungssätze für Ökostrom noch deutlicher als bislang geplant absenken. Besser wäre aber, gleich über eine gesamteuropäische Lösung nachzudenken. Die deutsche Förderung ist extrem ineffizient und teuer.
Ist eine EU-weit einheitliche Ökostromförderung realistisch?
Vermutlich nicht. Jedenfalls wird man – hoffentlich! – nicht überall das deutsche System durchsetzen können, weil es mit Sicherheit nicht das Beste ist. Wenn wir etwas fördern sollten, dann Forschung und Entwicklung im Bereich der Erneuerbaren Energien. Stattdessen haben wir den Ausbau relativ ineffizienter Technologien gefördert. Die Solarbranche investiert kaum in die Forschung.
Als Wirtschaftsminister Gabriel im Dezember angetreten ist, hat er eine Generalrevision des EEG angekündigt. Hat er dieses Ziel erreicht?
Was jetzt beschlossen wurde, ist eine Minimalreform, die ein paar Fehlentwicklungen etwas abmildert. Insbesondere verlangsamt sie den Ausbau. Das ist sinnvoll, weil es das Ganze besser planbar macht. Wir haben ja das Problem, dass es einen sehr schnellen Ausbau der Ökostromerzeugung gegeben hat und wir jetzt nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen. Denn der Netzausbau und der Aufbau von Speicherkapazitäten haben mit der Erzeugung nicht Schritt gehalten. Darum haben wir zeitweise ein Überangebot an Strom, das zu Verwerfungen am Markt führt.
Wie müsste aus ihrer Sicht ein Neustart der Ökostromförderung aussehen?
Bei einem vollständigen Neustart würden etliche Investitionen entwertet – etwa in Windparks auf hoher See. Einige Wirtschaftszweige Branchen kämen dadurch in große Schwierigkeiten. Man kann daher nur pragmatisch vorgehen, den Ausbau deutlich verlangsamen und die Fördersätze schneller absenken.
Im vergangenen Jahr hat Deutschland trotz Ökostromförderung mehr CO2 emittiert. Sollten die Emissionen durch die Energiewende nicht sinken?
Unser Modell der Ökostromförderung trägt nicht zur Senkung der CO2-Emissionen bei. Was wir durch den Strom aus erneuerbaren Quellen einsparen, wird in anderen Bereichen mehr emittiert. Der Verbrauch an Kohle ist zuletzt sogar gestiegen und steigt weiter.
Würde es reichen, wenn wir nur ein CO2-Einsparziel hätten – und dieses ambitionierter als bisher ansetzen würden?
Ja. Die EEG-Förderung ist im Hinblick auf den Klimaschutz überflüssig. Durch eine höhere CO2-Abgabe auf konventionelle Kraftwerke würde sich die Wirtschaftlichkeit eines Windrads oder eine Solaranlage ganz automatisch erhöhen – ohne zusätzliche Förderkosten.
Können Stromkunden nach der EEG-Reform darauf hoffen, dass die Umlage und damit die Strompreise wenigstens auf dem heutigen Niveau bleiben?
Das glaube ich nicht. Die Preise für nicht privilegierte Kunden werden tendenziell weiter steigen. Gleichzeitig wird die Selbstversorgung mit Ökostrom zunehmen – was aus Sicht der Netzstabilität auch sinnvoll ist. Das heißt aber auch, dass immer mehr Verbraucher einen großen Teil ihres Stroms nicht mehr über das Netz beziehen und damit auch weniger für EEG-Förderung und Netzbetrieb bezahlen. Für alle anderen Stromverbraucher bedeutet das noch höhere Kosten. Ich hätte es deshalb für besser gehalten, auch selbst produzierten Ökostrom von Kleinerzeugern zumindest mit einem Teil der EEG-Umlage zu belasten.