Mühsam hat die große Koalition einen Kompromiss zur Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ausgehandelt. IG-Metall-Vize Christiane Benner reicht das nicht. Sie kritisiert den hartnäckigen Widerstand der Arbeitgeber und fordert Nachbesserungen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Für die Traditionsgewerkschaft IG Metall war es ein absolutes Novum: Vor einem Jahr wurde Christiane Benner (48) als erste Frau in die Führungsspitze gewählt. Die Zweite Vorsitzende zeigt Flagge in der Gleichstellungspolitik. Schon länger beackert sie die digitale Arbeitswelt, wo bereits eine Million Freiberufler – sogenannte Clickworker – Internet-Plattformen ihre Dienste anbieten. Da hat Benner mittlerweile einiges erreicht.

 
Frau Benner, eine Frau als Zweite Vorsitzende war für die IG Metall revolutionär. Kommt die Gewerkschaft damit klar?
Dass die IG Metall erstmals nach 125 Jahren eine Frau an die Spitze gewählt hat, ist sehr stark beachtet worden. Da habe ich gemerkt, wie sehr die IG Metall als Männerorganisation wahrgenommen wird. Wir haben ja schon einen Frauenanteil von 18,6 Prozent bei den Mitgliedern – bei 20 Prozent weiblichen Beschäftigten in der Industrie. In Führungspositionen hat die IG Metall einen Frauenanteil von 30 Prozent. Dennoch kam meine Wahl einigen wie ein Durchbruch vor.
Würde die IG Metall eine Frau als Erste Vorsitzende auch schon aushalten?
Die IG Metall hat sich in den vergangenen vier, fünf Jahren stark verändert. Der frühere Vorsitzende Detlef Wetzel hat einen großen Wandel bei der Mitgliederausrichtung eingeleitet. Berthold Huber hat unsere Kultur durch seine Dialogfähigkeit extrem verändert. Ob sich das irgendwann in der Position des Vorsitzenden niederschlagen wird, vermag ich nicht zu sagen.
Sehen Sie sich bereits voll etabliert?
Ich wachse mit der Aufgabe und ich kann sagen: Jörg Hofmann und ich haben uns als Team eingeschwungen. Ich bin auch für die strategische Weiterentwicklung der IG Metall verantwortlich. Wir haben jetzt zusätzlich 140 Leute zur besseren Mitgliederbetreuung eingestellt. Und damit versuche ich auch kulturelle Veränderungen voranzubringen und nehme Zielgruppen wie Ingenieure, Studierende und junge Menschen besonders in den Fokus.
Vor der Wahl sind Sie eher unkonventionell aufgetreten – haben Sie sich angepasst?
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich konventioneller geworden bin. Meine Spontaneität versuche ich beizubehalten. Selbstverständlich muss ich mich anpassen. Aber ohne mich zu verbiegen. Wenn ich vor Ort agiere, sollen die Leute stolz sein auf ihre IG Metall und zufrieden mit ihrer Zweiten Vorsitzenden. Sie sollen sich gut angesprochen fühlen. Mir ist wichtig, nicht zu vergessen, woher das hier kommt – alles ist aus Mitgliedsbeiträgen geschaffen worden. Und ich erfahre, dass mir die Menschen Dinge, die sie bedrücken, ungefiltert mitteilen – auch weil ich in der Position bin, die Probleme anzugehen. Von daher fühle ich mich sehr geerdet.
Welchen Reiz hat Macht für Sie?
Ich empfand mich schon vorher als relativ durchsetzungsstark. Nun merke ich, dass ich andere Zugänge habe: in der Politik oder bei Unternehmen. So kann ich meine Funktion gut dazu nutzen, um die Positionen der IG Metall zu platzieren. Es liegt auch an mir, Dinge zu verändern.
Werden Sie von Wirtschaftsvertretern anders behandelt als männliche IG-Metall-Kollegen?
Ich fühle mich anders behandelt, seitdem ich Zweite Vorsitzende bin. Ich werde genauer beobachtet. Ich leite im Bündnis „Zukunft der Industrie“ eine Arbeitsgruppe zu Wertschöpfungsnetzen in Deutschland. Da gibt es eine verstärkte Nachfrage. Man will hören, wie ich darüber denke. Da bin ich sehr offen und habe keinerlei Berührungsängste.
Wie nehmen Sie die Alphatiere der Wirtschaft wahr?
Unterschiedlich. Vielen wird das Alphatier zugeschrieben – aber wenn man sich mit ihnen unterhält, sind sie total okay. Manchmal ist es anstrengend, wenn ich eine homogene Gruppe vor mir habe: Es passiert mir recht oft, dass ich allein unter Männern bin. Aus diesem Exotinnen-Status herauszukommen, fände ich schon gut. Es würde die Situation entspannen, wenn mehr Frauen da wären.
Ist es für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend, ob es von einem Mann oder einer Frau geführt wird?
Ich würde nicht sagen, dass eine Frau ein Unternehmen per se erfolgreicher leitet als ein Mann. Entscheidend ist der Mix. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Und auch die eigene Erfahrung zeigt: Wenn ein Team heterogen besetzt ist, hat man das Gefühl, schneller auf den Punkt zu kommen und andere Ideen zu haben. Daran müssten wir in den Vorstandsgremien der Unternehmen arbeiten. Es würde viele weiter bringen. Dies ist jedoch eine schwierige Diskussion, da empfinde ich die Männer tatsächlich als Alphatiere.