Der VW-Abgasskandal hat in der IG Metall Entsetzen ausgelöst. Der designierte Vorsitzende Jörg Hofmann fordert die Automobilindustrie zu mehr Ehrlichkeit auf und verlangt ein klares Signal für den künftigen Umgang mit den Emissionsrichtwerten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Der Schock im Arbeitnehmerlager über die Enthüllungen aus dem VW-Konzern sitzt tief. Der Gewerkschaftsvize Jörg Hofmann verweist unabhängig von den Betrügereien bei VW auch auf industrielle Interessen in den USA.
Herr Hofmann, wie groß ist der Imageschaden für die Autoindustrie durch die Affäre?
Der ist beachtlich, weil eine fast schon kriminelle Energie zu unterstellen ist, um den Verbraucher mit offenen Manipulationen und trotz entsprechender Warnungen vom Hersteller der fraglichen Software an der Nase herumzuführen. Und für die gesamte deutsche Automobilindustrie ist ein Vertrauensschaden entstanden in der Frage, inwieweit die Werte eingehalten werden, die die Hersteller bisher angeben.
Das Markenzeichen „Made in Germany“ wurde gerade in den USA schwer demoliert?
Zumindest hat es massive Kratzer bekommen. Ich würde aber empfehlen, mit aller Vorsicht zu unterscheiden zwischen einer womöglich strafrechtlich relevanten Handlung und dem Umfeld, in dem die Handlung kommentiert wird. In den USA ist es bisher nur mühsam gelungen, den Diesel schrittweise gegen den erbitterten Widerstand der US-Hersteller einzuführen – insoweit ist manche Kommentierung durchaus interessensgeleitet.
Wie existenzbedrohlich ist der Vorgang für VW?
Auch wenn das über Rückrufaktionen und Strafzahlungen massiv Geld kosten wird, halte ich aus heutiger Kenntnis die Volkswagen-Gruppe für nicht existenzbedroht. Geplante Investitionen können aber unter Druck geraten.
Wachstum und Innovation zumindest sind mangels ausreichender Rücklagen stark gefährdet.
Es kommt jetzt darauf an, mit welcher Deutlichkeit Volkswagen die Konsequenzen zieht. Das geht sicherlich über die Schritte hinaus, die jetzt personell erfolgt sind. Ich kann da nur appellieren, vollkommene Transparenz zu zeigen und Verantwortlichkeiten weiter zu verfolgen. Es gibt da keinen Königsweg. Wenn das Vertrauen verbraucht ist, braucht es oft Jahre, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Es ist wichtig für die Beschäftigten der Volkswagen-Gruppe, dass es eine transparente und konsequente Politik der Aufarbeitung gibt und die Durststrecke möglichst kurz ausfällt. Es ist ja nicht so, dass die Produkte, die heute auf dem Markt sind, mangelhaft sind – der Makel hängt an der Marke durch Manipulationen der Vergangenheit, die vermutlich strafrechtlich relevant werden.
Kommt bei Ihnen nicht Wut auf bei dem Gedanken, dass Arbeitsplätze durch solche Betrügereien aufs Spiel gesetzt werden?
Der Unmut ist da. Wir haben auf der einen Seite Volkswagen und auf der anderen eine Zulieferindustrie, die gerade in Deutschland, was Antriebstechnologie angeht, sehr stark vom Diesel geprägt ist. Wenn anstelle von Dieselfahrzeugen wieder mehr Benziner verkauft werden, bekommen wir ein großes Problem bei der Erreichung der CO2-Grenzwerte. Wir haben vor allem ein Beschäftigungsproblem bei den Zulieferern, die heute Dieselteile liefern. Allein bei Bosch sind gut 15 000 Arbeitsplätze in Deutschland von der Technologie unmittelbar abhängig. Um die mache ich mir genau so viele Sorgen wie insgesamt um die Beschäftigten der Branche. Fest steht: Zuerst wird es die Zulieferer treffen.