Exklusiv Drei Monate vor der nächsten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie und mitten in der Forderungsdebatte zeigt sich IG-Metall-Vize Jörg Hofmann von der schlechter werdenden Stimmung in der Wirtschaft wenig beeindruckt.

Im November will die IG Metall ihre Entgeltforderung für die im Januar beginnende Tarifrunde festzurren. Doch die konjunkturellen Aussichten werden immer trüber. Auch bei dem Wunsch nach mehr Bildungsfreistellungen muss Gewerkschaftsvize Jörg Hofmann im Ringen mit den Metallarbeitgebern noch viel Überzeugungsarbeit leisten.
Herr Hofmann, kurz vor Ihrer ersten Tarifrunde im Amt des IG-Metall-Vize häufen sich die Hiobsbotschaften. Wie wollen Sie da Ihre Lohnforderung rechtfertigen?
Ich nehme die Sorgen zur Kenntnis, doch haben sich die ökonomischen Basisdaten haben sich über den Sommer hinweg nicht wesentlich verändert. Im Kern sind sie gut: Der private Konsum läuft, und wir haben eine, wenn auch zaghafte Erholung in dem für uns wichtigen Euro-Markt. All das setzt die Zeichen nicht auf Krise. Es hat sich auch an den Grundannahmen der Prognosen für 2014 und 2015 nichts wesentlich geändert. Feststellen müssen wir aber: Die politischen Krisen führen zur Investitionszurückhaltung – darunter leidet etwa die Nutzfahrzeugindustrie. Es gibt aber keinen Grund, jetzt auf Krisenmodus zu schalten.
Sie geraten in eine Phase, wo das Verständnis für Protestaktionen gering sein dürfte?
Es gibt in dieser nebligen Situation eine Konstante: die sehr positiven Ergebnisse der Dax-Unternehmen, die im Januar ihre Berichte für das vierte Quartal und für das Jahr 2014 vorlegen werden. Auf der Ertragsseite macht sich aus heutiger Sicht im Durchschnitt der Betriebe keine Eintrübung bemerkbar. In dem Spannungsfeld bewegen wir uns gerade, was mich in der Absicht bestärkt, der IG Metall zu empfehlen, möglichst nah an der Tarifrunde über die Forderung zu entscheiden.
War 2008 eine heilsame Lehre, als die IG Metall „mit Vollgas in die Garage“ – also mit einer Rekordforderung von acht Prozent in die große Krise – gefahren ist, wie der damalige IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte?
Ja natürlich lernen wir. Aber die aktuelle Situation ist mit 2008 nicht vergleichbar. Auffällig ist diesmal eine extreme Unterschiedlichkeit. Im Fahrzeugbau hatten wir im ersten Halbjahr 2014 ein klares Plus von 7,5 Prozent in der Produktionsleistung – im Maschinenbau im Durchschnitt ein Minus von 0,2 Prozent. Allein diese zwei Zahlen zeigen ein Delta, das ich selten erlebt habe vor einer Tarifrunde. Und das Ganze hat eine hohe Dynamik.
Könnte die Russland-Krise Ihnen noch das Geschäft verhageln?
Natürlich kann sie das. In Teilen der Industrie merken wir den Ukraine-Konflikt kräftig. Die Ersten waren die Landmaschinenbauer, die große Märkte in Osteuropa haben. Jetzt spürt der Ausrüstungs- und Anlagenbau den Einbruch.
Mit großem Hurra gehen Sie also nicht in die Tarifrunde?
Das Hurra kommt zur gegebenen Zeit. Zuerst führen wir eine ernsthafte Debatte über die Forderung.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat den Tarifparteien bereits Lohnabschlüsse in Höhe von drei Prozent empfohlen.
Das haben wir die letzten drei Jahre regelmäßig erfüllt. Seit es den Euro gibt, begründen wir die Lohnforderung mit der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank statt mit der aktuellen nationalen Inflationsrate. Gut, dass die Bundesbank nun auch darauf kommt – und dass dieses Institut der Angebotsorientierung endlich anerkennt, dass Lohnentwicklung und Nachfrage wichtige Faktoren für die Wirtschaftsentwicklung sind. Das war das einzig Bemerkenswerte an dem Sommertheater. Ansonsten war es überflüssig.
2013 betrug der Lohnzuwachs 3,0 Prozent und 2014 beträgt er 3,25 Prozent. Die Metall- und Elektroindustrie hängt bei der Lohnentwicklung doch alle anderen Branchen ab.
Wir brauchen uns hinter den Tariferfolgen nicht zu verstecken. Aber es gab keine Überforderung der Metall- und Elektro-Industrie, das zeigt der Blick in die Bilanzen. Wenn Gesamtmetall für 2013 eine Nettoumsatzrendite von 4,1 Prozent errechnet im Schnitt aller Firmen, dann ist das keine Armutsveranstaltung. Es gibt ohne Zweifel große Unterschiede, aber auf der Branchenebene keine Notwendigkeit, diese Lohnpolitik zu korrigieren. Zumal – und dies ist genauso wichtig – die Beschäftigung nochmals zunahm.