Wie geht Muttersein? Das weiß auch Ildikó von Kürthy nicht. Trotzdem hat sie ein Buch darüber geschrieben. Im StZ-Interview spricht die Bestsellerautorin über unappetitliche Besuche im Spaßbad, coole Mamas und Mobbing in der Kita.

Stuttgart – Ich stehe dazu, dass ich mich für meine Oberschenkel mehr interessiere als für Weltpolitik.“ Für solche Sätze wird Ildikó von Kürthy vor allem von ihrer weiblichen Leserschaft geliebt. Mit ihrem ersten Roman „Mondscheintarif“ landete sie 1999 aus dem Stand einen Bestseller. Ihre Botschaft lautet: „Entspannt euch, Mädels, es geht uns allen so.“ In ihrem neuen Buch „Unter dem Herzen – Ansichten einer neugeborenen Mutter“ geht es nicht nur um Oberschenkel, sondern vor allem um Bauchumfänge. Von Kürthy schreibt erstmals aus der Ich-Perspektive eine Art persönlichen Begleiter für die Reise in ein fremdes Land – in das der werdenden und frisch gebackenen Mütter. Im StZ-Interview mit Simone Höhn spricht sie über coole Mütter, Mobbing in der Kita und unappetitliche Überraschungen im Kinderplanschbecken.
Frau von Kürthy, ist das Thema Kinder kriegen prädestiniert für eine Art Tagebuch, wie Sie es nun vorlegen?
Ich finde die Form ganz angemessen, so verstecke ich mich nicht hinter einer Romanfigur, und die Leserinnen müssen sich nicht fragen, ob das jetzt wirklich so gewesen ist oder nicht.

Warum haben Sie gerade jetzt ein Buch über das Kinderkriegen geschrieben, Sie sind doch schon länger Mutter?
Es war der beste Zeitpunkt, aber auch der letztmögliche. Ich werde keine Kinder mehr bekommen, und mein Kleiner ist noch jung genug, so dass meine Erinnerungen noch nicht abhanden gekommen sind.

War es schwierig, bei diesem sehr persönlichen Thema die Balance aus Nähe und Distanz zu finden?
Beim Schreiben hatte ich schon manchmal die Sorge, womöglich zu viel von mir preiszugeben. Mich nicht hinter einer Romanfigur verstecken zu können, das war sehr ungewohnt für mich. Ich denke aber, dass ich eine angemessene Mischung aus Distanz und Nähe gefunden habe.

Sie schreiben, dass Mütter mit der Geburt ihres Kindes der Humor abhanden kommt. Davon merkt man in Ihrem Buch aber nichts.
Bei mir war das wohl weniger der Fall, schließlich ist der Humor mein Werkzeug. Aber über Fremdscherze auf Kosten meiner Kinder kann ich nur schwer lachen, ganz egal wie lustig sie sind. Und viele Situationen sind im ersten Moment auch nicht lustig, sondern werden erst in der Rückschau zu einer amüsanten Anekdote.

Zum Beispiel?
Neulich war ich mit meinem Sohn in einem Spaßbad. Als erstes ist mir eine Kackwurst entgegengeschwommen. Das fand ich nicht lustig. Wenn ich es Ihnen jetzt erzähle, ist die Vorstellung jedoch sehr lustig.

Sie haben keinen Ratgeber geschrieben, sondern Ihre Beobachtungen und Erfahrungen widergegeben. Das lässt einen manchmal recht verwirrt zurück.
Es ist ja auch alles sehr verwirrend, und genau das wollte ich thematisieren. Schließlich stecke ich selbst mitten in diesem Schlamassel, indem keiner so recht weiß, welcher Weg gut ist.

Warum, glauben Sie, ist das so?
Es gibt einfach so viele verschiedene Lebensentwürfe, und jeder rechtfertigt seinen vor sich selbst und hat gleichzeitig Angst, es falsch zu machen. Dadurch dass es so viele neue Entscheidungsfreiheiten gibt, hat man auch viele Möglichkeiten, es nicht richtig zu machen.

Aber es ist doch gut, dass es so viele Möglichkeiten gibt.
Natürlich! Ich habe lieber die Qual der Wahl als die Qual. Früher bekam man Kinder und blieb in der Regel zu Hause. Insofern ist das ein sehr erfreulicher Fortschritt, den man aber mit einer größeren Unsicherheit bezahlt.

Ist diese Unsicherheit auch der Grund, warum Mütter ständig unter Beobachtung stehen, bewertet und beurteilt werden?
Ich denke schon. Die Frage ‚Wie viel Mutter kann ich/ darf ich/ will ich/ muss ich sein’ bleibt ein Leben lang bestehen, weil wir unsere eigenen Vorbilder sind. Das kann eben sehr anstrengend sein.

Sie schreiben, Mütter unter sich sind oft die größten Feindinnen.
Ja, leider. Da werden zum Beispiel Kinder von Müttern, die viel arbeiten, richtiggehend gemobbt. Da heißt es dann von anderen Müttern in der Kita: ‚Ach du Armes, wirst erst so spät abgeholt, aber die Mama will halt lieber arbeiten.’

Sind Sie auch schon mal persönlich angegriffen worden?
Nein, bei mir reicht es schon, wenn eine Mutter etwas ganz anders macht als ich, meinetwegen ihr Kind schon um zwölf Uhr aus der Kita holt. Da habe ich sofort ein schlechtes Gewissen, da muss die mich erst gar nicht angreifen.

Mit der Tugend „Leben und leben lassen“ ist es also nicht weit her?
Nein, soweit sind wir noch lange nicht. Mütter machen sich oft gegenseitig das Leben unnötig schwer. Die Leichtigkeit bleibt oft auf der Strecke.

Warum bloß?
Es geht eben ums große Ganze, man lebt heute nicht mehr mit dem Kind, sondern für das Kind. Irgendwie haben Kinder auch so ein erdrückendes Gewicht im Leben von Frauen bekommen.

Nun sagen Sie doch mal etwas Ermutigendes, bitte.
Da gibt es vieles! Ein Kind zu haben ist zu Beginn eine ganz neuartige Form des Glücks und des Gefühls. Der Anfangszauber, die Symbiose, dieser Neugeborenen-Kokon, der Mutter und Kind umgibt, das ist einzigartig und ganz fantastisch. Daran erinnere ich mich gerne zurück.

Frau von Kürthy, sind Sie eine coole Mutter?
Cool ist kein Begriff, den ich auf mich anwenden würde. Wenn Sie damit gelassen meinen, dann bin ich das mal mehr und mal weniger. Das kommt auf meine Stimmung an und darauf, was meine Söhne gerade anstellen. Ich bin allerdings sehr engagiert in Stressvermeidung und gehe überzeugt den Weg des geringsten Widerstands.

Was so viel heißt wie?
Ich backe und bastle fast nie selbst, ich gebe meine Kinder gern an Patenonkels, Oma und Babysitter ab und versuche immer noch, meiner eigenen Zufriedenheit zu dienen.