Mit 60 Kandidaten wollen die Jusos im Landkreis die Kommunalparlamente verjüngen. Wie das geht, erklärt der Kreisvorsitzende Jan Hambach, der nun auch im Renninger Gemeinderat sitzt.

Renningen - Seit zwei Jahren ist der Renninger Jan Hambach der Kreisvorsitzende der Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Dabei hat er ein mächtiges Tempo vorgelegt, was sich bei den Kommunalwahlen 2019 auszählen könnte.

 

Herr Hambach, die Jusos haben 60 junge Leute im Kreis gefunden, die nächstes Jahr bei den Kommunalwahlen antreten wollen. Wie haben Sie das geschafft?

Ja, da sind wir richtig stolz darauf. 60 Leute im Alter zwischen 18 und 35 bewerben sich gerade für die SPD-Liste in einer Kommune im Kreis Böblingen, im Kreistag und für das Regionalparlament. Das freut uns, weil das in Baden-Württemberg, wahrscheinlich auch deutschlandweit einmalig ist.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir sind deutlich aktiver geworden, als ich vor zweieinhalb Jahren Juso-Kreisvorsitzender geworden bin. Wir haben versucht, ein cooles Angebot für junge Leute zu machen und Veranstaltungen zu organisieren, die den Leuten wirklich was bringen. Dann waren wir auch vor Ort viel präsenter, wir sind in die kleineren Städte und Gemeinden gegangen im Kreis und haben die Jüngeren angesprochen. Und wir haben versucht, Themen zu besetzen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel den Nahverkehr. Für die Strecke der S 60 zwischen Renningen und Böblingen haben wir mehr Nachtbusse gefordert, haben Unterschriften gesammelt. Das hat was gebracht, das Regionalparlament hat hier mehr Busse beschlossen. Aber auch über den Bus zwischen Warmbronn und Vaihingen haben wir diskutiert.

Warum lohnt sich das Engagement in der Kommunalpolitik?

Das ist diejenige politische Ebene, wo man den direktesten Kontakt zu den Bürgern hat und viel bewegen kann. Ich würde sagen: ein engagierter Stadtrat kann mehr bewegen, als so mancher Landtagsabgeordneter.

Viele wissen gar nicht, was ein Gemeinderat überhaupt macht.

Ja, dabei hat man auf fast alle Lebensbereiche Einfluss. Der Gemeinderat bestimmt, wo sich Wohngebiete entwickeln, wie diese aussehen, wo Schulen entstehen, wie die Kindergärten aussehen, wie es mit den Straßen oder auch der personellen Besetzung der Verwaltung weitergeht.

Haben die Jusos ein eigenes Programm?

Das wird momentan erstellt. Das wichtigste Thema ist Wohnen, dann der Nahverkehr, und auch die Frage, wie wir Städte für junge Menschen attraktiv machen. Wir fordern zum Beispiel günstige Bustickets für die einzelnen Städte.

Wie kommt das Engagement bei den älteren Genossen an?

Als wir angefangen haben, haben sich erst mal alle gefreut. Aber wir sind natürlich nicht nur da, um Plakate zu kleben, Flyer zu verteilen und rote Würstchen zu drehen, sondern wir haben einen politischen Anspruch, wollen aktiv mitgestalten und wollen auch in die Gremien. Da muss sich vielleicht der ein oder andere noch daran gewöhnen.

Das heißt, Sie brauchen Überzeugungskraft, um auf die Listen zu kommen?

Das ist auch verständlich. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder junge Leute, die schnell wieder verschwunden sind. Da gibt es schon Enttäuschungen.

Wobei Studium und Beruf oder teils auch Auslandsstationen ja auch viel Mobilität verlangen. Passt da unsere kommunalpolitische Struktur noch dazu, für die man sich fünf Jahre binden muss?

Es braucht die Bindung, weil man nur so einen Überblick bekommt und das Allgemeinwohl vertreten kann. Ich glaube auch nicht, dass wir weniger politisches Engagement haben, als früher. Es braucht aber schon die nötige Flexibilität. Wenn jemand für ein halbes Jahr ins Ausland geht, sollte er deshalb nicht gleich sein Mandat niederlegen müssen.

Nun auch im Renninger Gemeinderat

Wo unterscheiden Sie sich von einem altgedienten Gemeinderat wie etwa Reinhard Händel, den Sie jetzt ablösen?

Vielleicht wird es wichtiger, die Themen, für die man sich engagiert, stärker nach außen zu kommunizieren. Gerade in Renningen hat es nicht immer funktioniert, die Themen genügend zu diskutieren. Da kam Unzufriedenheit zu Tage – egal ob sie berechtigt oder unberechtigt war – was ja beim letzten Bürgermeisterwahlkampf auch zu dem starken Ergebnis von Dennis Metzulat geführt hat.

Gerade in der Kommunalpolitik ist es bisher eher unüblich, die Themen der einzelnen Fraktionen zu verkaufen.

Natürlich ist es üblich, dass man in der Kommunalpolitik eher im Konsens entscheidet. Dennoch gibt es Themen, zu denen die Parteien unterschiedliche Meinungen haben. Ansonsten könnten alle gleich auf einer freien Liste kandidieren.

Müssen Parteien auch anders arbeiten?

Ja, wir müssen mutiger sein. Wir müssen sagen, dass auch Externe zu allen Veranstaltungen eingeladen sind. Wir müssen uns auch mal auf den Marktplatz setzen, an den Bahnhof stellen oder in ein Jugendhaus gehen – also dorthin, wo die Menschen schon sind, und nicht darauf hoffen, dass sie zu uns ins Nebenzimmer kommen.

Am 26. September rücken Sie für Reinhard Händel in den Renninger Gemeinderat nach. Steigt schon die Anspannung?

Ich freue mich total. Natürlich gibt es eine gewisse Erwartungshaltung, von der eigenen Partei, von Bekannten, aber auch von Bürgern, die mich angeschrieben haben. Da hat man schon Respekt davor, das gut zu machen und die Erwartungen aller zu erfüllen.

Welches Thema wollen Sie als erstes angehen?

Wohnraum ist für mich ein großes Thema. Ich glaube, dass man da als Stadt langfristig aktiv sein muss, selbst Wohnungsbau vorantreiben, Wohngebiete ausweisen und Quoten für sozialen Wohnraum festlegen sowie an verschiedenen Stellen ansetzen. Ich glaube, dass wir da in Renningen noch Nachholbedarf haben.

Renningen ist in den vergangenen Jahren so gewachsen, wie kaum eine Stadt in der Region. Wo gibt’s da noch Nachholbedarf?

Man sollte nicht nur Einfamilienhäuser bauen, was man jetzt beim Schnallenäcker aber auch erkannt hat. Wenn man Wohngebiete ausweist, sollte man auch auf sozialen Wohnraum und auf Betreutes Wohnen für die Älteren achten. Man kann zum Beispiel eine Quote von 25 Prozent für sozialen Wohnraum festlegen – wie man es jetzt in Leonberg tut.

Wie beobachtet Ihre Generation dieses enorme Wachstum der Stadt?

Vielen ist bewusst, dass wir in einer Metropolregion leben und wir uns dem nicht verwehren können. Es entstehen viele Arbeitsplätze, und diese Leute müssen irgendwo leben. Wenn man dann für junge Leute attraktiv sein möchte – und Renningen will eine familienfreundliche Stadt sein – dann muss man die entsprechende Infrastruktur schaffen. Auch ältere Renninger haben Kinder, die hier leben möchten.

Ist Renningen attraktiv genug für die Jugend?

An Bars und Kneipen hat man zum Glück ein bisschen aufgeholt, wobei es da noch Potenzial gibt. Als ich selbst Teenager war, gab es keinerlei Möglichkeiten, wo wir uns aufhalten konnten. Es gibt zwar das Jugendhaus, das ist aber schon geschlossen, wenn Jugendliche weggehen wollen. Der Jugendgemeinderat hat daher die Initiative ergriffen und diskutiert derzeit, wie wir das Jugendhaus aufwerten können.

Was bedeutet Ihnen Politik?

Politik bestimmt am Ende alles, was uns umgibt. Politik lebt von Leuten, die sich engagieren. Das merkt man zum Beispiel im Osten, wo es keine so lange demokratische Tradition gibt, wo das Vereinsleben nicht so ausgeprägt ist. Ich glaube, dass das eine Gesellschaft kaputt macht, wenn es niemanden gibt, der sich engagiert, der versucht, Interessen gegeneinander abzuwägen und nach einem guten Mittelweg sucht.

Wie erleben Sie das bei Altersgenossen?

Unterschiedlich. Es gibt Leute, die das sehr ähnlich sehen und die genau das von der Politik erwarten – und die Haltung und klare Aussagen in der Politik vermissen. Es gibt aber auch viele, die keinerlei Interesse an Politik haben. Die entweder sagen: Politik bringt eh nichts, oder: Politik interessiert mich einfach nicht.

Das Engagement könnte größer sein?

Es könnte sich mehr verteilen. Die, die sich engagieren, machen extrem viel.

Welche Rolle spielt da die große Politik in Berlin, die wochenlang um die Beschäftigung eines Bundesverfassungsschutz-Präsidenten streitet?

Das bestätigt genau die Vorurteile, die viele gegenüber Politikern haben: Sie seien korrupt, sie beschäftigen sich nur mit sich selbst, sie hätten keine Haltung. Dennoch beobachte ich, dass das die jüngere Generation das differenzierter sieht. Die sagen: Es sind nicht alle blöd, sondern es gibt auch andere Stimmen. Sie sehen, dass es auch jemanden wie Kevin Kühnert gibt, von dem ich inhaltlich nicht der größte Fan bin, der aber Mut und Überzeugung verkörpert.

Das Gespräch führte Florian Mader.

Die Jusos im Kreis

Der 24-jährige Jan Hambach kommt aus Renningen und wohnt immer noch dort. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hohenheim. Heute arbeitet er in der Stabsstelle der Geschäftsführung des IHK-Kreisverbandes in Böblingen. Seit 2016 ist er Kreisvorsitzender der Jusos, daneben stellvertretender Vorsitzender des Renninger SPD-Ortsverbands und des SPD-Kreisverbands.

Folgende Spitzenkandidaten der Jusos gibt es bereits. Sie wollen unter die TOP-5 der SPD-Listen kommen. Für den Leonberger Gemeinderat ist das Philippa Stolle, in Weil der Stadt Felix Mayer, in Renningen Anna Walther und in Rutesheim Julius Müller. Für den Kreistag bewerben sich Jamie Speidel (Wahlkreis Leonberg), Tommy Scheef (Wahlkreis Weil der Stadt) und Jan Hambach (Wahlkreis Renningen). In das Regionalparlament will Eren Gürbüz.