Fernsehen, Theater, Lesereisen: Der Schauspieler Joachim Król hat viel zu tun. Und macht auch im Stuttgarter Theaterhaus Station. Im Interview erzählt er von seinen Lieblingsschauspielern und seiner Leidenschaft für den BVB.

Stuttgart - Der Schauspieler Joachim Król (55) macht bei seiner aktuellen Lesetour in der kommenden Woche auch Station im Stuttgarter Theaterhaus. Eigentlich wollte er den Murakami-Roman „Gefährliche Geliebte“ vorstellen, weil der Autor sein Veto eingelegt hat, wurde das Programm aber kurzfristig geändert. Król liest nun, begleitet von einem Jazztrio, aus Alessandro Bariccos Bestseller „Seide“.
Herr Król, kommt das Publikum bei einer Lesung wegen des Autors oder wegen des Vorlesers?
Das kann ich nicht sagen, aber man kann es nun überprüfen, weil wir den Autor ja ausgewechselt haben. Wenn das Haus jetzt bloß halb voll ist, kann ich das auf den Autor schieben.

In dem Buch „Seide“ zieht es einen Europäer Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder nach Japan, auf der Suche nach einer Frau, mit der er nur Blickkontakt hatte. Wäre das nicht auch im Film eine typische Król-Rolle? In dem Roadmovie „Ausgerechnet Sibirien“ von 2012 reisen Sie ja auch einer exotischen Sängerin vom Stamm der Schoren hinterher.
Das ist klasse. Aber nein, irgendetwas sträubt sich bei mir immer bei so einer Frage. Die typische Król-Rolle gibt’s doch gar nicht. Na ja, es gibt natürlich Rollen, die man mir nicht antragen würde, ich fange da mal beim „Terminator“ an.

Ich muss trotzdem Detlev Bucks in Ostdeutschland spielendes Roadmovie „Wir können auch anders“ ansprechen, mit dem 1993 Ihre Filmkarriere begonnen hat. Sie spielen den Analphabeten Kipp so, als lebe der in seiner eigenen Zeit und in seinem eigenen Tempo. Hat diese Rolle Ihr Image geprägt?
Am Anfang haben solche Figuren das Image schon geprägt. Ich habe hart an Kipp gearbeitet, bis ich mir den besser vorstellen konnte als der Autor selber. So etwas wird oft gar nicht verlangt, bei den meisten Fernseharbeiten bewegt man sich ja auch im Alltagsmilieu. Man darf aber nie glauben, dass man das mit links machen kann, das wäre gefährlich.

In „Zugvögel“ von 1996 sind Sie ein Eigenbrötler, der Kursbücher studiert, nach Inari reist und von einer Finnin aus seiner ruhigen Bahn geworfen wird. Haben Sie auch selber eine Affinität zum Norden? Mecklenburg, Sibirien, Lappland . . .
Offensichtlich. Aber ich bin jetzt auch bereit für den Süden.

Wie macht man das eigentlich, wenn man einen Italiener wie Commissario Brunetti spielt?
Da sind wir mächtig kritisiert worden. Aber die Produzenten haben gesagt, es geht um das deutsche Publikum, das deutsche Schauspieler sehen will. Machen wir uns nichts vor, wir waren eh alle nur Nebendarsteller, die Hauptdarstellerin ist Venedig. Ich denke aber, wenn ich den Mund nicht aufgemacht habe, bin ich im Stadtbild durchaus als Venezianer durchgegangen. Der Rest ist Kostüm . . .

In den Neunzigern haben Sie oft den schüchternen kleinen Mann gespielt. Sehen Sie da eine Verbindung zum Heinz Rühmann der fünfziger Jahre?
Die Frage ist mir oft gestellt worden, als ich 1996 das Remake des Krimis „Es geschah am hellichten Tag“ gedreht habe. Der Produzent Bernd Eichinger wollte damals sogar fünf Heinz-Rühmann-Remakes mit mir drehen. Da hätte ich dann zwar mein Häuschen gehabt, wäre aber wohl stigmatisiert gewesen. Deshalb habe ich abgelehnt. Ich habe den Rühmann nie gemocht. Wer bei Goebbels Heimkino dreht, kann nicht völlig unwissend gewesen sein. Und das hat der Mann mit sich rumgeschleppt. Ich habe mal eine Kollegin gefragt, die in einem seiner letzten Filme mitgespielt hat: Wie ist der denn so? Sie hat gesagt, sie hätte noch nie so einen kalten, einsamen Mann kennengelernt. Das fand ich gruslig, nach so einer Karriere als beliebtester deutscher Schauspieler aller Zeiten. Nein, mit dem möchte ich nicht verglichen werden.

„Es geschah am hellichten Tag“ war keine typische Heinz-Rühmann-Rolle. War das Remake auch für Sie ein Imagewechsel, hat sich da das Eigenbrötlerisch-Skurrile Ihrer Figuren in etwas Ernstes und Einsames verwandelt?
Es lag natürlich auch daran, dass ich älter geworden bin. Vor allem in „Gloomy Sunday“ (1999) habe ich dann eine sehr erwachsene, komplexe Biografie verkörpert. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Angebote für abstruse Charaktere ich zu der Zeit in die Mülltonne geklopft habe.

Würden Sie gerne einmal aus Ihren introvertierten Figuren ausbrechen und einen neureichen Protzer spielen, einen auftrumpfenden Manager, einen Gläser schleudernden Börsenmakler?
Ach Gott! Wenn es gut geschrieben ist. Ja klar, jederzeit.

Aber es ist kein Bedürfnis, Sie brauchen das nicht als Ventil?
Als Ventil nicht. Das ist nicht mein Berufsansatz. Aber ich spiele gerade im „Kirschgarten“ von Tschechow, da kann man auch lautere Töne von mir hören.

Sie haben sich in einer Talkshow „eine gewisse Zerrissenheit“ attestiert und davon gesprochen, dass Sie sich schwer entscheiden können. Steckt in Ihnen eine Sehnsucht nach weniger umtriebigen Zeiten?
Diese Zeiten gestalte ich mir selber. Es gab jedoch eine Zeit, wo ich dachte, wenn du das nicht machst, schlägst du dir Türen zu. Aber jetzt kann ich mich nicht beklagen, ich bin in einer blendenden Verfassung, ich habe ein tolles Jahr vor mir, ich werde meine zwei „Tatort“-Folgen machen, ich werde in Stuttgart eine Theaterpremiere haben – Toi! Toi! Toi!

Was werden Sie in Stuttgart spielen?
„Szenen einer Ehe“ von Bergman, in der Regie von Jan Bosse.

Als Frankfurter Kommissar Steier scheinen Sie sich gerade aus Ihrem Beruf herauszutrinken. Wird das noch schlimmer, wenn Nina Kunzendorf alias Conny Mey aussteigt und nicht mehr auf ihren Kollegen aufpasst?
Interessante Frage. Wir machen uns genau darüber natürlich Gedanken. Aber ich darf da nichts verraten.

In diesem Frankfurter „Tatort“ sind Sie ein mürrischer Einzelgänger, der zusammenzuckt, wenn ihn Conny Mey impulsiv anfasst. Man hat fast den Eindruck, als zucke nicht nur Steier zusammen, sondern auch Joachim Król.
Nein, das ist immer die Sehnsucht der Journalisten, der Filmfigur wieder zu begegnen. Die kann ich nur enttäuschen.

Haben Sie eine persönliche Bestenliste von Schauspielern?
Nur von Frauen. Sophie Rois zum Beispiel ist großartig, und ich finde auch die Marie Bäumer toll, die braucht überhaupt nichts sagen, die braucht nur durchs Bild gehen, da geht mir das Herz auf . . .

Noch schnell ein Themenwechsel: Sie sind Borussia-Dortmund-Fan, es gibt ein Foto, auf dem Sie die Meisterschale hochhalten. Haben Sie sich dieses Bild gerahmt?
Nee, aber es ist sehr präsent. Ich habe es sogar auf meinem Handy. Wir hatten ja sogar beides, die Meisterschale und den Pokal!

Können die Dortmunder ihren 100-Punkte-Rückstand auf die Bayern noch aufholen?
Abgerechnet wird zum Schluss.