Ganz leicht scheint es dem Popstar und Schauspieler Justin Timberlake zu fallen, auf den Bühnen großer Konzerthallen wie auf der Leinwand Bella Figura zu machen. Im Gespräch erläutert er, wie er ihm das gelingt.
Mr. Timberlake, was können Sie als Schauspieler ausdrücken, das Sie mit der Musik nicht in Noten und Songtexten umsetzen können?
Ich empfinde es so, dass sich meine Musik und die Schauspielerei gegenseitig befruchten. Der große Unterschied ist, dass ich als Musiker gewissermaßen auch Autor und Regisseur bin, also für alles selbst verantwortlich. Songs fangen immer mit einer Idee an. Und meine Ambition ist es dann, diese Idee so gut wie möglich auszuschöpfen und das Beste herauszuholen.
Wie persönlich ist dieser Prozess?
Ab einem gewissen Punkt versuche ich, es nicht zu persönlich werden zu lassen. Das ist die Kunst. Ich muss mich ein bisschen zurücknehmen, aber trotzdem genug Persönliches in die Songs lassen, damit sie ehrlich und authentisch klingen. Mit der Schauspielerei funktioniert es eigentlich ganz ähnlich. Ich versuche, in mir ein Fenster zu der Figur zu finden, die ich spiele. Wenn ich diesen Zugang gefunden habe, ist mit purer Fantasie alles möglich. Schauspiel und Musik sind sich viel ähnlicher, als man denkt.
Und welche dieser beiden Kunstformen ist am Ende befriedigender?
Beide sind auf ihre Weise befriedigend. Am Ende bekomme ich ja das beste aus beiden Welten. Ich drücke es mal so aus: Ich fühle mich so wohl, wie ein Schwein, dass sich jeden Tag in einem riesigen Misthaufen wälzen darf. (lacht) Und ich frage mich immer wieder: Wie kann es sein, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdiene?
Wann haben Sie denn entdeckt, dass Sie ein Künstler werden wollen?
Ich bin im Süden der USA aufgewachsen, dem so genannten „Bible Belt“. Und seitdem ich denken kann, sind wir in die Kirche gegangen. Mein Opa war Priester. Und obwohl meine Eltern dann geschieden waren, sind wir immer noch alle in dieselbe Kirche gegangen.
Das war kein Problem?
Nein, die Familie hat sich immer noch wirklich gut verstanden. Mein Vater war der Chorleiter, mit ihm habe ich in der Kirche zum ersten mal vor Publikum gesungen. Da muss ich sieben Jahre alt gewesen sein. Wenn man Lampenfieber hat, ist die Kirche wahrscheinlich der beste Ort, um es in den Griff zu kriegen. Man kann fürchterlich singen, trotzdem rufen alle am Ende zustimmend: Amen! Schließlich preisen wir hier Gott, wie schlecht kann der Gesang also sein? Sie können mir glauben, ich war am Anfang nicht wirklich gut. Aber so habe ich gelernt, mit meiner Nervosität umzugehen.
Was hat das Singen noch in Ihnen ausgelöst?
Ich war als Kind oft allein und eher introvertiert. Und solange ich mich erinnern kann, hatte ich Harmonien und Noten im Kopf, wie eine innere Musik, die ich ständig hören konnte. Erst fand ich das seltsam und habe mich dagegen gewehrt. Aber als ich dann mit meinem Vater auf der Bühne gesungen habe, ergab es plötzlich Sinn. Auch wenn das alles in diesem religiösen Kontext stattfand, berührte es auch auf andere Weise meine Seele. Ich habe den „Soul“ gespürt. Und ich wusste schon damals: Das ist es! Niemand konnte mich davon abbringen. Ich wollte unbedingt Musiker werden. Und heute ist es mein Beruf. Das ist unglaublich fantastisch.
Sie spielen in „Wonder Wheel“ einen Mann im romantischen Dilemma zwischen zwei Frauen. Was ist das Geheimnis guter Liebesszenen?
Ich arbeite da mit einem kleinen Trick, den ich von meinem Schauspiellehrer gelernt habe, als ich zehn Jahre alt war. Bevor wir die Szene gedreht haben, habe ich mit meiner Kollegin Juno Tempel alles einmal mit vertauschten Rollen durchgespielt. Ich war das Mädchen und sie der Junge. Das macht nicht nur unglaublich viel Spaß, es schafft auch Vertrauen. Denn ich habe Juno damit zum Lachen gebracht. Wenn man einmal zusammen gelacht hat, ist das Eis gebrochen. Und man lernt auch eine Menge über die Motivation der eigenen Figur, wenn man sie aus der Perspektive der Frau betrachtet.
Man hätte Sie ehrlich gesagt nicht unbedingt in einem Woody Allen-Film vermutet. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
Wir sind uns zufällig auf dem Filmfestival in Cannes begegnet, als er dort seinen Film „Café Society“ präsentiert hat. Vielleicht hat er sich deswegen an mich erinnert, als er dann seinen neuen Film besetzt hat.
Müssen Sie noch vorsprechen oder bekommen Sie so eine Rolle garantiert, weil Sie Justin Timberlake sind?
Ich muss natürlich vorsprechen. Und Woody Allen hatte mir nur die ersten beiden Seiten des Drehbuches mit einem langen Monolog gegeben. Den Rest kannte ich nicht, ich wusste also auch gar nicht genau, was ich da spielen sollte. Das war etwas surreal. Denn ich hatte nur zehn Minuten, um den Rhythmus und den Beat in diesem typischen Woody Allen-Text zu finden, den ich ihm dann auch noch frontal vortragen sollte. Es war so unwirklich, dass ich beinahe einen Lachanfall bekommen hätte. Aber genau diese etwas aufgekratzte Stimmung, in der ich dann gelesen habe, hat im komischerweise gefallen. Er sagte ganz begeistert: Das ist es! Zuerst dachte ich, er macht sich über mich lustig. Aber er meinte es offensichtlich ernst. Denn ich hatte die Rolle.
Wenn Sie nach Rhythmus und Beat eines Textes suchen, verarbeiten Sie ihn in diesem Moment auch musikalisch?
Auf jeden Fall! Woody ist ja auch Musiker. Und für mich sind all seine Filme in gewisser Weise Musicals. Seine Dialoge haben diesen typischen Rhythmus. Und jeder seine Filme ist eine Hommage an seine Lieblingskünstler wie Tennessee Williams. Genauso verhält es sich mit meiner Musik. Ich stelle mir vor, den Song für meine Idole zu schreiben und dann bin ich am Ende so egoistisch, den Song selbst zu singen.
Und für wen schreiben Sie?
Es sind zu viele, um sie alle aufzuzählen. Es fängt wohl bei Michael Jackson und Stevie Wonder an und hört dann bei Elvis Presley und Hank Williams auf. Ich bin gerade sehr mit der Allman Brothers Band beschäftigt. Im Herzen bin ich ein Kind der Siebziger.
Leben Geboren 1981 in Memphis, Tennessee, trat er schon als Kind in Talentshows auf. Von 1998 bis 2002 war Timberlake mit Britney Spears liiert, von 2003 bis 2007 mit Cameron Diaz. Seit 2007 lebt er mit Jessica Biel zusammen.
Musiker Als Kindermoderator des „Disney Clubs“ hatte Justin Timberlake bereits ein Millionenpublikum, als er 1995 als Frontsänger der Boyband N’Sync zum Teenie-Idol wurde. 2002 gelang es Timberlake, sich musikalisch neu zu erfinden: Mit seinem Solo-Debüt „Justified“ nahm er eines der erfolgreichsten Popalben aller Zeiten auf.
Schauspieler In „The Social Network“ (2010) überragte er als Internetpionier Oliver Parker die Hauptfigur, den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, dargestellt von Jesse Eisenberg. In dem dystopischen Thriller „In Time“ (2011) bewies Timberlake ebenso Charakter wie in der romantischen Komödie „Freunde mit gewissen Vorzügen“ (2011). In „Inside Llewyn Davis“ konnte er die Qualität seiner geschmeidigen Stimme unter Beweis stellen: Er spielte einen erfolgreichen Folksänger.