Der CDU-Politiker will Richterinnen und Staatsanwältinnen das Tragen religiöser Symbole verbieten.

Stuttgart - Justizminister Guido Wolf will die Staatsanwaltschaften und Gerichte im Land personell verstärken. Doch das ist nicht das einzige Vorhaben des CDU-Politikers.

 
Herr Wolf, der Bundesjustizminister will bei schweren Straftaten polizeiliche Vernehmungen künftig per Video aufzeichnen lassen. Was halten Sie davon?
Es gibt erkennbare Vorteile dieser Idee, vor allem die verbesserte Dokumentation der Aussagen von Zeugen und Beschuldigten. Es gibt aber auch potenzielle Nachteile – zum Beispiel könnte sich die Aussagebereitschaft verschlechtern und es könnte zu einem deutlich höheren Arbeitsaufwand für die Justiz führen, weil die Videoaufzeichnungen wortgetreu abgeschrieben werden müssen. Wir werden das intensiv bei der Justizministerkonferenz diskutieren, ein abschließendes Urteil habe ich mir noch nicht gebildet.
Das Thema Kamera im Gerichtssaal diskutieren die Justizminister schon seit Jahren. Wie stehen Sie dazu?
Allem, was der maximalen Transparenz dient, stehe ich aufgeschlossen gegenüber. Ich bin ein großer Freund davon, das, was in einem Gerichtssaal geschieht, klar erkennbar zu machen. Inwieweit eine Übertragung für die einzelnen Verfahrensarten sinnvoll wäre, muss allerdings noch sorgfältig geprüft werden.
Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg klagen über ein zu viel an Arbeit. Werden Sie als neuer Minister personell aufstocken?
Wir sind mit meinem Ressort das einzige Ministerium, das seinen Personalbereich nicht nur politisch argumentativ definiert, sondern mit belastbaren Zahlen arbeiten kann. Das Personalbedarfsberechnungssystem Pebb§y (sprich: Pepsi) weist einen zusätzlichen Bedarf von 213 Stellen aus - etwa 100 in der Richterschaft, den Rest bei den Staatsanwaltschaften. Die werde ich bei den Haushaltsplanberatungen auch beantragen.
Junge Richter im Landesdienst bekommen heute 3700 Euro im Monat als Einstiegsgehalt. In der freien Wirtschaft kann es ein Vielfaches geben. Bekommen sie überhaupt noch qualifiziertes Personal, nachdem die Eingangsbesoldung abgesenkt wurde?
Wir haben auch Prädikatsjuristen aus der Wirtschaft, die sich in der Justiz bewerben. Trotzdem: die Absenkung der Eingangsbesoldung soll rückgängig gemacht werden, das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Ich habe darüber mit der Finanzministerin noch nicht gesprochen, aber ich setze mich dafür ein, dass dies bald geschieht.
Ums Geld geht es auch, wenn das Berufsleben zu Ende ist. Wie sehr Grün-Schwarz an die Beamtenpensionen heran gehen, wenn Sie im Landeshaushalt eine Neuverschuldung vermeiden wollen?
Wir haben eine Haushaltsverantwortung, deswegen gibt es keine Tabus beim Sparen, auch nicht beim Personalhaushalt. Ich plädiere aber für Maß halten. Wir müssen uns hüten, zu unattraktiv als Arbeitgeber zu werden. Zudem stellen sich in diesem Zusammenhang schwierige Rechtsfragen.
Wenn die baden-württembergische Justiz Nachwuchs sucht, werben Sie da auch gezielt um Mitarbeiter mit Migrationshintergrund?
Ja. Die Gesellschaft ist vielfältig, das muss sich dann auch in der Justiz widerspiegeln.
Gibt es also bald auch Richterinnen und Staatsanwältinnen mit Kopftuch?
Nein, das wird es bei uns nicht geben. Wir haben einen klaren Grundsatz. Die Justiz ist neutral. Ihre hohe Autorität ist Ausdruck dieser Neutralität. Deswegen ist es meine Aufgabe, auf die Neutralität zu achten. Dazu gehört, dass Gerichtssäle frei sind von Symbolen, die diese Neutralität in Frage stellen könnten.
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat gerade erst einer Rechtsreferendarin das Tragen eines Kopftuches erlaubt. Vertreten Sie dazu eine andere Rechtsauffassung?
Das Urteil ist für uns Anlass, das Thema auch in Baden-Württemberg zu regeln. Ein Kopftuch im Gerichtssaal wollen wir verbieten.
Gilt das für Beamte wie für Referendare gleichermaßen?
Man könnte es im Referendariat durch eine Organisationsverfügung regeln, etwa dergestalt, dass eine Referendarin nicht zur Staatsanwaltschaft geht und dort die Sitzungsvertretung im Gerichtssaal übernimmt. Wir haben jetzt aber in Baden-Württemberg den konkreten Fall, dass eine Referendarin mit Kopftuch unter Berufung auf das Augsburger Urteil genau das möchte. Also müssen wir den Komplex gesetzlich regeln.
Ist ein Kopftuch immer als religiöses Symbol zu werten?
Das Kopftuch wird getragen, um seiner Glaubensüberzeugung Ausdruck zu verleihen. Das geht meiner Ansicht nach nicht im Gerichtssaal.
Das gilt dann genauso für das Kreuz als Anstecknadel und andere christliche Symbole?
Wenn es eine gewisse Größe annimmt, die für jeden erkennbar und sichtbar ist, dann ja. Aber wenn es so klein ist, dass es niemandem auffällt, dann kann es toleriert werden.
Verträgt sich Ihre Ansicht mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Kopftuch an Schulen, das der Religionsfreiheit einen sehr hohen Stellenwert einräumt?
Das Kopftuchtragen im Gerichtssaal und in einem Klassenzimmer sind nur vordergründig vergleichbare Fälle. In der rechtlichen Bewertung gibt es große Unterschiede.
Sieht ihr grüner Koalitionspartner dies ebenso?
Wir werden das noch diskutieren, aber das hindert mich nicht daran, erst einmal auf den Tisch zu legen, was ich für richtig halte. Darüber hinaus ist meiner Ansicht nach eine solche Regelung in den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags angelegt.
In den Haftanstalten Baden-Württembergs gab es nach dem Tod eines Häftlings und Angriffen auf Vollzugsbeamte im vergangenen Jahr erhebliche Unruhe. Hat sich die Lage mittlerweile wieder beruhigt?
Auch in den Vollzugsanstalten ist personelle Verstärkung zwingend. Eine Expertenkommission hat dazu bereits Vorschläge gemacht. In einer ersten Tranche wurden fünf Millionen Euro dafür aufgewandt. Wir werden für den nächsten Haushalt jetzt eine zweite Tranche beantragen.