Für Karl-Ulrich Templ von der Landeszentrale für politische Bildung wird bei der Schlichtung im Rathaus Pionierarbeit geleistet.

Stuttgart - Die Schlichtungsgespräche zwischen den Gegner und Befürwortern des Tiefbahnhofs und der Neubaustrecke nach Ulm finden ein großes öffentliches Interesse. Karl-Ulrich Templ, der kommissarisch die Landeszentrale für politische Bildung in Stuttgart leitet, plädiert für neue Möglichkeiten, die Bürger in die Planung von Großprojekten einzubinden.

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Wird bei der Schlichtung im Stuttgarter Rathaus ein zukunftsweisendes Modell einer Bürgerbeteiligung praktiziert?


Diese Gespräche sind natürlich sehr stark auf die Situation in Stuttgart zugeschnitten. Es ist für mich aber klar, dass wir in Zukunft bessere Beteiligungsverfahren brauchen, die aber erst noch entwickelt werden müssen. Insofern wird in Stuttgart durchaus modellhaft gearbeitet und ein wichtiges Stück Pionierarbeit geleistet.

Was hat den Prozess der Entfremdung zwischen Bürger und Politik ausgelöst?


Die andauernde Kontroverse um Stuttgart21 zeigt ja exemplarisch auf, dass es auf beiden Seiten zunehmend an Gemeinsamkeiten fehlt. Vielen Bürgern genügen die heute vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten nicht mehr, es fehlt an Vertrauen in die vorhandenen Verfahren. Die Politik hat sich in dieser Situation leider allzu bequem in der repräsentativen Demokratie eingerichtet. Das funktioniert aber in Zukunft so nicht mehr.

Wie muss die neue Bürgerbeteiligung denn aussehen, was muss sie leisten?


Wenn Politikverdrossenheit und geringe Wahlbeteiligung nicht weiter zunehmen sollen, dann brauchen wir unbedingt neue demokratische Beteiligungsinstrumente. Gott sei Dank sind die Bürger ja nicht politikmüde, wie die heftige Debatte über Stuttgart21 zeigt. Sie sind aber höchst unzufrieden, weil sie sich von den Politikern nicht ernst genommen fühlen. Die Bürgerbeteiligung darf künftig kein Abfallprodukt, kein Pro-forma-Verfahren mehr sein. Statt am Ende muss sie am Anfang eines Verfahrens stehen, verständlich aufbereitet und professionell moderiert werden. Das ist ziemlich mühsam, aber notwendig.

Wie muss der Kommunikationsprozess bei Großprojekten und Planfeststellungsverfahren denn künftig aussehen?


Wenn sich Bürger durch Hunderte mit Fachausdrücken gespickte Seiten kämpfen müssen, dann steht die Beteiligung nur auf dem Papier. Heute gibt es die Möglichkeit, komplexe Prozesse über das Internet für jedermann verständlich aufzubereiten. An dieser Transparenz mangelt es heute leider noch, das Fachchinesisch triumphiert. Bei den Schlichtungsgesprächen im Rathaus ist Herr Geißler doch gezwungen, alle zehn Minuten darum zu bitten, die Dinge verständlicher zu erklären. Künftig muss die Verwaltung bei einem Großprojekt alle Pläne anschaulich aufbereiten.

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