Sylvia Kotting-Uhl, die atompolitische Sprecherin der Grünen, hat die Konzerne bisher kritisiert. Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung lobt sie: Eons Umbau sei die richtige Reaktion auf den geänderten Energiemarkt.

Stuttgart/ Berlin – -
Frau Kotting-Uhl, waren Sie überrascht vom radikalen Umbau beim Energiekonzern Eon?
Ja, natürlich. Es war seit langem ein Wunsch der Grünen an die Konzerne, dass sie die alten, nicht mehr zukunftsfähigen Geschäftsmodelle fallen lassen. Dass der Umschwung bei Eon so plötzlich kommt, ist überraschend. Die Zukunft liegt bei Erneuerbaren Energien und einer anderen Energienutzung. Für den notwendigen Umbau brauchen wir auch große Institutionen wie die Energiekonzerne. Sie standen bisher als Verweigerer und Besitzstandswahrer da, die sich nicht bewegen wollten. Das scheint sich zu ändern.
Eon wird sich von der konventionellen Energie verabschieden. Aber die Rückstellungen für den Abriss von Atomkraftwerken und die Endlagerung sollen in eine neue Gesellschaft. Wird da nicht ein Risiko ausgelagert werden – wie bei einer Bad Bank?
Ja, das hat Ähnlichkeiten mit dem Modell einer Bad Bank. Deshalb muss der Staat an dieser Stelle tätig werden. Wir brauchen einen öffentlich-rechtlichen Fonds für die Atomrückstellungen, der unter demokratischer Kontrolle steht. Das ist eine alte Forderung der Grünen. Bei dem Aufgliedern in zwei Geschäfte – die eine Sparte für das Abwickeln, die andere für den Aufbau von Neuem – kann es passieren, dass die Rückstellungen unter die Räder kommen. Das darf der Staat nicht zulassen. Die Gelder müssen in einem solchen Fonds gesichert werden und müssen unabhängig sein vom Auf und Ab der Firmenbilanzen. Das wäre die Hauptzielrichtung des Fonds. Es handelt sich immerhin um 36 Milliarden Euro an Rückstellungen, allein von Eon sind es 15 Milliarden Euro. Aber es muss klar bei der Verantwortung der AkW-Betreiber für den weiter notwendigen Mittelbedarf bleiben, falls – wie zu erwarten – das Geld aus der Rückstellung für die Beseitigung der Altlasten nicht ausreicht.
Die Energiebranche hatte einst die Idee für eine Atomstiftung, bei der der Staat die Abwicklung übernimmt.
Ja, das bezeichneten wir als Bad Bank. Da sollte der ganze Komplex samt der Abwicklung der Atomkraftwerke an die öffentlich Hand übergehen. Der erhielte die Rückstellungen aber auch alle weitere Verpflichtungen. Das kann man nicht akzeptieren. Die Energiekonzerne haben mit der Atomkraft viel Geld verdient, jetzt bringen die Meiler nicht mehr viel, laufen aus. Sie jetzt an die öffentliche Hand abzustoßen wäre nicht in Ordnung. Es muss beim Verursacherprinzip bleiben.
Braucht Eon die Zustimmung der Bundesregierung für seine Pläne?
Nein, wenn Eon sich umstrukturieren will, hat die Regierung da nicht reinzureden. Aber die Frage der Finanzierung der atomaren Altlasten muss beantwortet werden. Wir müssen das Verursacherprinzip hoch halten.
Konzerne verabschieden sich von der konventionellen Energie. Wer investiert dann noch in die Modernisierung von Kohlekraftwerken zur CO2-Reduktion?
Ich halte nichts von einer Modernisierung bestehender Kohlekraftwerke, man sollte sie auslaufen lassen. Um Kohlendioxid zu vermindern müsste man neue bauen. Die wären dann weitere 50 Jahre im Betrieb, was ich angesichts der Klimazerstörung für nicht verantwortbar halte. Die Umstrukturierung bei Eon ist völlig richtig. Sie ist eine klare Zuweisung, was überholt und was modern ist.