Kultur: Adrienne Braun (adr)
Was meint überhaupt nationales Kulturgut?
Das ist eines der Hauptprobleme des Gesetzes, dass die Debatte zu einer großen Verunsicherung gerade bei dieser Frage geführt hat und eben nicht zu mehr Sicherheit. Was nationales Kulturgut ist, ist gar nicht definiert. Jedes Bundesland geht anders damit um und entscheidet mit den Sachverständigen. Derzeit haben einige Länder sehr lange Listen, Baden-Württemberg war immer eher zurückhaltend, aktuell stehen achtzig Objekte bei uns auf der Liste. Die Liste ist online verfügbar. Im Moment sind vor allem Altäre, gotische Arbeiten, aber auch ein Rembrandt und ein Cranach gelistet, aber nichts aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Aber die eigentliche Diskussion, was nationales Kulturgut überhaupt ist, wurde bislang gar nicht geführt.
Was hat Rembrandt mit der deutschen Identität zu tun?
Genau das sind Fragen, die das Gesetz nicht regelt. Fällt ein Picasso unter deutsches, spanisches oder französisches Kulturerbe? Dass genau solche Themen nicht diskutiert werden, finde ich schade, man hätte die Chance nutzen können, zu debattieren, was wir heute unter Kulturschätzen verstehen, die national wertvoll sind – in einer Zeit, wohlgemerkt, in der Aspekte wie Globalisierung und kultureller Austausch in Europa immer wichtiger und selbstverständlicher werden. Diese Diskussion müssen wir jetzt beginnen.
Der Handel hat sich besonders gegen das Gesetz gewehrt. Ist es tatsächlich zu seinem Schaden?
Auf den Handel ist in den letzten Jahren viel zugekommen, die Mehrwertsteuererhöhung schwächt den Kunsthandel und die Galerien ganz enorm, die Abgabe für die Künstlersozialkasse ist erhöht worden, und jetzt kommt das Kulturgutschutzgesetz obendrauf. Für den Handel geht es dabei auch um die Sorgfaltspflichten. Er muss beispielsweise dreißig Jahre lang nachweisen können, dass Arbeiten genau auf Provenienz geprüft sind. Dieser Aspekt belastet ihn extrem. Der Handel ist vermutlich der Bereich, der die Konsequenzen des Gesetzes am meisten zu spüren bekommt.