Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Mit welchen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag haben Sie die größten Probleme?
Der Verzicht auf Investitionen zu Gunsten neuer sozialer Wohltaten ist ein schwerer Fehler. Was die Energiewende angeht, so hätten unsere Mitglieder des Wirtschaftsrats als Minimum ein Moratorium verlangt. Die Belastungen privater Haushalte und der Wirtschaft summieren sich auf mehrere hundert Milliarden Euro. Da hätte man mal einen Strich ziehen müssen und sagen: innehalten, nachdenken, neu anfangen – aber nicht einfach so weiter machen. Noch immer ist es so: Wer ein neues Windrad in die Landschaft stellt, hat garantierte Renditen für die nächsten acht Jahr von zehn Prozent. Das hat mit Unternehmertum nichts mehr zu tun.
Die Rente mit 63 belastet die Rentenkasse. Offenbar haben aber auch viele Unternehmen damit ihre Schwierigkeiten. Was hören Sie aus der Wirtschaft?
Das ist eindeutig der falsche Schritt. Wir müssen doch ins Nachdenken kommen, wenn ausgerechnet der französische Präsident, dem wir immer vorgehalten haben, dass er mit seiner Rentenpolitik in die falsche Richtung läuft, diesem Projekt Beifall spendet. Da wird auch nur moralisch argumentiert. Wenn einer 45 Jahre lang Bergmann war und jetzt eine Staublunge hat, darf der natürlich in Rente gehen. Dagegen kann man gar nichts haben. Das Problem ist nur, dass auch die früher in Rente gehen dürfen, die zehn oder zwanzig Jahre lang arbeitslos waren. Da wird es ungerecht – gerade gegenüber denen, die wirklich 45 Jahre lang gearbeitet und Beiträge bezahlt haben. Außerdem geben wir damit das Prinzip auf, das der Rente mit 67 zugrunde liegt. Und dafür gibt es überhaupt keinen vernünftigen Grund.
Unter dem Dach der großen Koalition wird die Sozialdemokratisierung der Union weiter voran schreiten. Wer steuert dagegen?
Traditionell hat die CDU immer auf drei Beinen gestanden: Sie hatte ein wertkonservatives, ein wirtschaftsliberales und ein soziales Bein. Mittlerweile sind zwei dieser drei Beine deutlich geschwächt. Das soziale Bein ist zur Säule angewachsen. Die CDU versteht sich in weiten Teilen als Management des aktuellen Zeitgeistes. Das ist ein Problem. Statt drei Beine haben wir eine Säule und zwei Streichhölzer.
Mit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag fehlt dort eine liberale Stimme. Wie können Wirtschaftsliberale und Ordnungspolitiker aus der Union diese Lücke füllen?
Wir vermissen die FDP. Und wir werden ihr weiterhin eine Plattform für liberale Argumente bieten.
Wie denken Sie über den Mitgliederentscheid der SPD?
Natürlich steht es Parteien frei, zu wichtigen Fragen immer wieder ihre Mitglieder zu befragen. Ich neige dazu, die Entscheidung bei den Abgeordneten zu belassen. Eine führungsstarke Partei braucht keine Mitgliederentscheide. Aber so wie die SPD aufgestellt ist, kann ich verstehen, dass sie das tun muss. Ich halte es dennoch weder für angemessen noch für richtig.
Wie groß sind die Vorbehalte in der CDU gegen den Koalitionsvertrag? Mit wie vielen Nein-Stimmen rechnen Sie?
Es wird eine überwältigende Zustimmung geben. Der Widerstand wird sich in der Gesetzgebungsarbeit vollziehen.