Industrie 4.0 ist auch eine Herausforderung für die Juristen. Wenn Maschinen mit Maschinen sprechen, muss viel geregelt werden. Auch die Europäische Union sollte an der Schaffung einheitlicher Rechtsnormen arbeiten.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)
Stuttgart - - Am Mittwoch beginnt in Berlin der IT-Gipfel der Bundesregierung. Dabei geht es auch um Regeln für die Handhabung riesiger Datenmengen.
Herr Meister, der IT-Gipfel der Bundesregierung beschäftigt sich schwerpunktmäßig auch mit den juristischen Risiken bei Industrie 4.0. Um welche Risiken geht es denn?
Die juristischen Risiken sind ein Ergebnis der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung. Sie betreffen insbesondere die Kommunikation zwischen Maschinen sowie die damit verbundenen Haftungsfragen, aber auch Probleme des Datenschutzes. Bei Industrie 4.0 entstehen riesige Datenmengen. Die juristische Diskussion dreht sich etwa darum, wie diese Daten genutzt werden können und wem sie gehören.
Wie kann man sich gegen Risiken absichern?
Im Rahmen der Industrie 4.0 kommunizieren einerseits Maschinen miteinander. Und wir haben andererseits Unternehmen, die miteinander kommunizieren. Risiken bestehen daher bei der IT-Sicherheit, etwa wenn eine Kommunikation falsch läuft oder wenn Dritte eine Sicherheitslücke ausnutzen und in automatisierte Prozesse eingreifen. Diese Risiken müssen vertraglich abgesichert werden.
Diskutiert wird auch, wem die Daten eigentlich gehören. Gehören Sie dem, der ein ganzes Produkt bearbeitet oder dem, der nur ein Teil des Produktes bearbeitet?
Das ist meiner Ansicht nach die aktuell spannendste Frage, die letztendlich von der Ausgestaltung des einzelnen Geschäftsmodells abhängt. Es geht etwa um die Frage, wo die Daten anfallen. Fallen sie in meinem Auto bei der Fahrt an, dann gehören sie möglicherweise mir als Fahrer. Fallen sie beim Bau des Autos an, dann gehören sie möglicherweise dem Hersteller.
Sie sagen „möglicherweise“. Heißt das, es ist noch gar nichts klar?
Es kommt eben ganz auf den Prozess an, den man sich anschaut und wie dieser durch das Unternehmen gestaltet wurde. Nehmen wir mal die Herstellung von Teilen für ein Auto, etwa einen Motor. Im Fertigungsprozess werden die Zulieferer und der Hersteller untereinander vernetzt. Hierbei fallen eine Menge Daten an, bis ein fertiges Fahrzeug entsteht. In diesem Fall kann man aber davon ausgehen, dass derjenige, der das Endprodukt hergestellt hat und ausliefert, die Hoheit über die Daten hat, die bei der Erstellung gesammelt wurden.
Im Laufe eines Produktionsprozesses kann es zu Haftungsfragen kommen. Werden diese gemindert, wenn jedes Produkt durch Codes seinen bisherigen Lebensweg zeigt?
Die Identifizierung einzelner Teile wird dadurch einfacher, man kann dann auch leichter herausfinden, an welcher Stelle ein Fehler entstanden ist und wer möglicherweise dafür haften muss. Aber wenn wir eine reine Kommunikation zwischen Maschinen haben, stellt sich die Frage, ist der Zulieferer für einen Kommunikationsfehler seiner Maschine verantwortlich?
Damit überhaupt ein Geschäft zustande kommt, müssen auch Verträge abgeschlossen werden. Was müsste in diesen stehen?
In diesen Verträgen müssen genau solche Themen behandelt werden. Es ist auch heute schon so, dass in den Zulieferverträgen bestimmte neue Produktionsmethoden durch entsprechende Zurechnungs- und Haftungsregelungen rechtlich ausgestaltet werden.
Eine weitere Frage ist die nach der Kostenaufteilung. Wo sehen Sie in der Wertschöpfungskette die Probleme?
Probleme in der Wertschöpfungskette können auftreten, wenn nicht mehr klar ist, wie hoch der Anteil des einzelnen Zulieferers ist. Das kann man sich so vorstellen, dass es möglicherweise mehrere Zulieferer für ein Bauteil gibt und durch ein Problem beim Transport nicht mehr das Teil A, sondern das Teil B eingesetzt wird.
Viele Teile werden ja oft nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland produziert. Welche Probleme treten dabei zusätzlich auf?
Je weiter die Produktion weg ist, um so größer sind auch die Risiken, dass ein Teil unterwegs aufgehalten wird, etwa beim Zoll.
Kann in Verträge reingeschrieben werden, dass der Zulieferer bei Verzögerungen durch den Zoll nicht haftet?
Ein wesentlicher Punkt bei Industrie 4.0 ist die Optimierung von Herstellungsprozessen und Kosten, so dass die Zulieferer strenge zeitliche Vorgaben haben. Um so wichtiger ist es dann, auftretende Hindernisse in der Lieferkette auch vertraglich festzuhalten und dann von der Haftung auszunehmen.
Der Maschinenbauverband VDMA hat einen Rechtsrahmen für den EU-Binnenmarkt gefordert. Was müsste dieser regeln?
Dort muss es etwa um Haftung, Verzugsregeln oder Verantwortlichkeiten gehen. Trotz weitgehender Harmonisierung innerhalb der EU haben wir immer noch Einzelstaaten mit unterschiedlichen Rechtsordnungen. Hierdurch entstehen zusätzliche Risiken, die derzeit vertraglich berücksichtigt werden müssen.
Müssten die unterschiedlichen Rechtssysteme nicht durch ein einheitliches EU-Recht ersetzt werden?
Ich denke, man sollte zunächst versuchen, gewisse Standards zu setzen und bestimmte Bereiche einheitlich zu gestalten.