Die SPD-Landeschefin Leni Breymaier setzt sich mit ihrem Verein „Sisters“ für das Ende der Prostitution ein.

Region: Corinna Meinke (com)

Interview - Vor gut 20 Jahren hat Leni Breymaier die feministisch ausgerichtete Eislinger Frauenaktion (Efa), zusammen mit einigen Mitstreiterinnen, aus der Taufe gehoben. Egal, ob als Verdi-Chefin oder nun als SPD-Landesvorsitzende: Breymaier hat „ihren“ Eislingerinnen immer die Treue gehalten. Kein Wunder, dass die von ihr mitinitiierte bundesweite Kampagne gegen Sexkauf „Rotlicht Aus“ sie nun zu einer Veranstaltung am Dienstag, 2. Mai, in ihre Heimatstadt führt.

 
Frau Breymaier, 2015 haben sie den Verein „Sisters“ mitgegründet, der den Ausstieg aus der Prostitution fordert. Jetzt kommen Sie für die aktuelle Kampagne „Rotlicht Aus“ in die Provinz. Warum gerade nach Eislingen? -
Jede Stadt ist für dieses Thema das richtige Pflaster, denn wir wollen das Problembewusstsein dafür erst schaffen. Schon als wir Sisters gegründet haben, wollten die Efa-Frauen eine Veranstaltung zur Prostitution machen. Jetzt ist es soweit. Ich mag das Arbeitsprinzip bei Efa, denn hier setzen die Frauen die politischen Anliegen um, sobald sie Mitstreiterinnen gefunden haben. Hier wird jedes Jahr der Internationale Frauentag am 8. März gefeiert, das gibt es längst nicht in allen Städten in der Region. Und am 25. November hängt immer die Fahne gegen Gewalt an Frauen vor dem Rathaus.
Noch mal: Was hat die Provinz mit dem Thema Prostitution zu schaffen?
Zugegeben: Die Terminwohnungen, Saunaclubs und Laufhäuser liegen meist in den großen Zentren, im Stuttgarter Leonhardsviertel, auf den Fildern, gerne auch grenznah in Karlsruhe und Mannheim. Aber es gibt bestimmt auch in Eislingen Männer, die Frauen für Sex kaufen, da würde ich für niemanden meine Hand ins Feuer legen. Das belegen auch unsere Kontakte zu Aussteigerinnen. Diese Frauen wollen immer in eine andere Stadt ziehen, aus Angst, festzustellen, dass ihr neuer Chef womöglich auch mal ein Kunde war und sie bei ihm erneut in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten könnten.
Wie kommen Sie denn überhaupt mit den Prostituierten in Kontakt?
Das ist sehr schwierig, auch weil viele Frauen ein Sprachproblem haben. Die stolze Sexarbeiterin, die in Talkshows plaudert, hat Seltenheitswert. Seit der Liberalisierung der Prostitution in Deutschland und der Osterweiterung der Europäischen Union überwiegt die Zwangs- und Armutsprostitution mit Frauen aus diesen Ländern. Das heißt, rund 95 Prozent der Prostituierten befinden sich in einer Zwangslage. Eine ganze Mädchengeneration landet zum Anschaffen in Deutschland, begleitet von männlichen Verwandten, die nach jedem Freierbesuch das Geld abholen.
Hat sich das Milieu seither verändert?
Ja. Nicht nur die Preise verfallen, seit sich Frauen schon für 30 Euro verkaufen. Auch die Sitten der Freier werden rauer, sagen erfahrene Prostituierte. Ich habe mit einer Frau gesprochen, die nur über Symbole, die sie sich auf die Handfläche gemalt hat, über Sexpraktiken kommunizieren kann. Wie will sie sich wehren, wenn sich der Freier einfach nimmt, was er will? Gleichzeitig müssen die Frauen Geld nach Hause schicken, denn in der Heimat gibt es keine Sozialversicherung, nur die Großfamilie. Das macht ihnen den Ausstieg so schwer. Und zurück in der Heimat werden sie wie Dreck behandelt, viele landen in der Psychiatrie.
Wer kann denn bei einem Ausstieg helfen?
Das müssen geschulte Kräfte sein, denn die Frauen sind kaputt an Leib und Seele. Wir von Sisters bieten dazu Seminare an. Aber wir dürfen uns nichts vormachen: Für jede Frau, die wir rausholen, kommen im Zweifel zehn neue nach. Wir fordern deshalb den Ausstieg unserer gesamten Gesellschaft aus der Prostitution – zunächst aber gescheite Umsetzungsverordnungen des neuen Prostituiertenschutzgesetzes.
Was schlagen Sie vor?
Wenn die Frauen ihre Tätigkeit künftig bei einer Behörde anmelden müssen, sollte dafür die Polizei zuständig sein. Die hat Ahnung und kann am ehesten feststellen, ob die Frau aus freien Stücken hier ist oder ob sie in irgendeiner Weise der Zwangsprostitution unterworfen ist.

Für Frauen und Gerechtigkeit

Leni Breymaier:
Die aus Ulm stammende Vorsitzende der Landes-SPD lebt mit ihrem Mann in Eislingen. Die Einzelhandelskauffrau engagierte sich als Betriebsrätin. Ihre Karriere als Gewerkschaftssekretärin führte Breymaier 2007 an die Spitze der Dienstleistungsgesellschaft Verdi in Baden-Württemberg, im Jahr 2009 wurde Breymaier stellvertretende SPD-Landesvorsitzende. 2015 gründete sie mit der Stuttgarter Sozialarbeiterin Sabine Constabel den bundesweit aktiven Verein Sisters zur Abschaffung der Prostitution.

Veranstaltung:
Am nächten Dienstag um 19.30 Uhr bittet die Eislinger Frauenaktion zur Veranstaltung „Zu verkaufen: Freiheit, Körper, Würde“ in die Eislinger Stadthalle. Leni Breymaier und Sabine Constabel stellen die Ziele der Sisters-Kampagne „RotlichtAus“ vor