Michael Vierling kam ins Amt, als die Ludwigsburger Grünen-Fraktionschefin Elfriede Steinwand wegen fragwürdiger Partyreisen-Vorwürfen zurücktreten musste. Nun führt er die Ökopartei ins Wahljahr 2019.

Ludwigsburg - Michael Vierling ist nach einem turbulenten Winter an die Spitze der Grünen-Fraktion gekommen. Elfriede Steinwand musste nach ihren „Partyreisen“-Vorwürfen gegen andere Stadträte zurücktreten. Nun muss der 54-jährige Hochschullehrer die heterogene und große Fraktion 2019 bei den Kommunal- und OB-Wahlen führen.

 
Herr Vierling, wen wollen Sie beim Citylauf lieber schlagen, Ihren Parteifreund Jürgen Walter oder OB Werner Spec?
Herr Spec hat diesmal offenbar nicht teilgenommen. Ich bin wieder sehr gerne mitgelaufen, mit meinem Ergebnis von 47,52,5 bin ich sehr zufrieden. Bei mir geht aber der Spaß an der Teilnahme vor.
Können Sie überhaupt noch genug trainieren, wo Sie neben Ihrem Beruf noch das Amt als Grünen-Fraktionschef ausüben?
Das Training findet bei mir auch in Form von Fahrradfahren statt, das nutze ich im Alltag, um in Form zu bleiben.
Sie sind im Februar nach heftigen Turbulenzen in der Grünen-Fraktion Nachfolger von Elfriede Steinwand geworden – wie haben Sie die kontroversen internen Debatten damals ganz persönlich erlebt?
Ich tendiere dazu, die Aufgeregtheit nicht so wichtig zu nehmen. Es gibt so viele große Probleme auf der Welt.
Konkret ging es um Frau Steinwands Vorwurf, die Barcelona-Reise sei eine „Partyreise“ für Stadträte gewesen. War das ein berechtigter Vorwurf?
Die Frage von Informationsreisen des Gemeinderates hatte aus meiner Sicht nicht die Qualität für ein politisches Großthema, ich habe das entspannter gesehen. Wir haben darüber kontrovers diskutiert – Grüne sind nicht immer in allen Fragen derselben Meinung. Elfriede Steinwand war damit unzufrieden, dass aus den Reisen keine politischen Erkenntnisse erwachsen sind. Ihr Anliegen war, den politischen Aspekt der Reisen stärker zu unterstreichen.
Und das sehen Sie ebenfalls so?
Aus den Informationsreisen nach Münster oder nach Barcelona sind keine konkreten Konsequenzen erfolgt, von daher kann ich ihren Standpunkt verstehen. Für mich ist das aber nach über über einem halben Jahr schon eher ein historisches Thema.
Hat sich das Klima in der Fraktion wieder beruhigt nach den Verwerfungen?
Wir arbeiten sehr gut zusammen, Elfriede Steinwand ist ein hoch geschätztes Fraktionsmitglied und bereichert unsere Gruppierung. Wir sind ein gutes Team.
Bei der Renaturierung der Uferwiesen am Neckar, die von den Grünen abgelehnt wurden, hat die Fraktion auch uneinheitlich abgestimmt. Ging es nur um die Sachfrage, oder gibt es noch Spannungen der unterschiedlichen Gruppierungen?
Wir haben eine Federführung bei verschiedenen Themen. Christine Knoss hat dieses übernommen. Wir waren der Ansicht, dass bei dem Projekt nicht die ökologische Aufwertung im Vordergrund stand, sondern der Schiffsanlegesteg – der mit erheblichen Abholzungen verbunden wäre. Wir haben am Ende ziemlich einheitlich abgestimmt.
Zur Stadtbahndebatte: Der Landrat Rainer Haas will die Ludwigsburger doch noch für eine Hochflur-Bahn der SSB gewinnen, wie gehen Sie damit um?
Wir denken natürlich darüber nach. Aber wir erkennen nicht, welchen Nutzen die Stadt Ludwigsburg von der SSB-Bahn hätte, die nicht durch die Innenstadt oder die Oststadt fahren würde. Das wäre letztlich nur eine Verbindungsbahn für andere Kreiskommunen.
Die SPD befürchtet, dass der OB Werner Spec sowie CDU und Freie Wähler eigentlich gar keine Bahn wollen, auch keine Niederflurbahn. Ist die Hochflurbahn nicht besser, als am Ende mit leeren Händen dazustehen?
Es gibt im Gemeinderat eine Verständigung auf die Doppelstrategie, zu der neben den BRT-Schnellbussen und einer Wasserstoffbahn auch die Niederflur-Stadtbahn gehört. Dazu stehen wir. Die muss übrigens keine kleine Insellösung sein, sondern sie kann angesichts der dynamischen Bevölkerungsentwicklung im Umland Richtung Westen, Norden und Osten problemlos auf andere Strecken ausgedehnt werden. Sie wäre dann keine kleine Insel, sondern vielleicht sogar ein kleiner Kontinent.
Das Verhältnis zwischen dem OB und dem Gemeinderat gilt als angespannt – wie empfinden Sie das persönlich?
Es gibt enge Arbeitsbeziehungen im Alltag. Es gibt viele öffentliche und informelle Kontakte. Vieles gelingt, aber der Streit gehört auch dazu, das ist politische Normalität im Alltagsgeschäft. Solange er produktiv ist und so lange er dazu dient, politische Unterschiede herauszustellen.
Und der Streit in Ludwigsburg ist immer produktiv?
Das ist er in der Regel. Manchmal gibt es gewisse Schärfen in der Diskussion. Wir widersprechen auch mal der Stadtverwaltung. Man kann nicht immer aus jedem strittigen Gespräch etwas Konstruktives schaffen. Aber es ist auch nicht schlimm, wenn unterschiedliche Positionen aufeinander prallen.
Die Grünen sind seit Jahren in einem Dauerstreit mit den Freien Wählern, warum ist das Verhältnis so angespannt?
Das liegt an der Grundsatzdiskussion in Sachen Mobilität und Parkplätze. Diese Debatte findet permanent statt und ist ein Stück weit zum Hauptunterscheidungsmerkmal der politischen Kräfte in der Stadt geworden. Es ist nicht glaubwürdig, wenn CDU und Freie Wähler eine Gleichberechtigung der Verkehrsträger fordern. Tatsächlich werden 50 Prozent der Fahrten mit dem Auto zurück gelegt, das Stadtbild ist geprägt von Autos und Staus.
Nun können selbst die Grünen nicht Ludwigsburger zu Fahrradfahrern und Car-Sharing-Nutzern machen ...
Aber der Anteil des Nahverkehrs und des Fahrradverkehrs soll deutlich erhöht werden, bislang liegt er zusammen bei rund 20 Prozent. Das reicht nicht.
Wie wollen Sie die Ludwigsburger Grünen in das Wahljahr 2019 mit OB- und Kommunalwahlen führen?
Wir haben das Ziel, mit den Themen Mobilität und Wohnen die stärkste Fraktion im Ludwigsburger Gemeinderat zu werden. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber wir halten das durchaus für realistisch.
Der Amtsinhaber wird voraussichtlich wieder antreten. Suchen Sie einen Gegenkandidaten zu Werner Spec, oder unterstützen Sie ihn gar bei einer erneuten Bewerbung?
Das zu beurteilen ist noch viel zu früh. Wir werden uns im nächsten Jahr anschauen, wer sich alles bewirbt, und dann überlegen wir in aller Ruhe, wen wir unterstützen.