Hat das Thema Stuttgart 21 den Presserat beschäftigt?
In der Tat. Es gab in den vergangenen zwei Jahren 19 Beschwerden über die Berichterstattung zu Stuttgart 21 in der Stuttgarter Zeitung.

Was haben die Leser kritisiert?
Bei den meisten Beschwerden ging es darum, ob Ihre Zeitung einseitig berichtet und dabei die journalistische Sorgfaltspflicht missachtet hat. In den meisten Fällen hat sich herausgestellt, dass Ihre Kollegen ordentlich gearbeitet haben.

Und in den anderen Fällen?
Keine Sorge, es gab weder eine Rüge noch eine Missbilligung. Nur in einem Fall gab es einen Hinweis. . . 

. . . das ist die schwächste Form der Sanktionen, die der Presserat verhängen kann: ein Hinweis, der an die Redaktionen ergeht und nicht öffentlich gemacht werden muss.
Im Jahr 2010 hatten Sie einen Zeitungsartikel über eine Straßendemonstration der Stuttgart-21-Gegner, die angeblich auch einen Notarztwagen im Einsatz erheblich behindert hatte. Die Darstellung des Sachverhalts war nach Auffassung der Ausschussmitglieder nicht korrekt, denn die Stuttgarter Zeitung hatte selbst schon zuvor über eine Stellungnahme des DRK informiert, wonach es nicht zu Behinderungen gekommen war. Deshalb erging dann der Hinweis an die Redaktion.

Die Rüge ist die schärfste Maßnahme, die Sie zur Verfügung haben. Ist die Peinlichkeit für die Redaktionen immer noch groß, eine solche Rüge veröffentlichen zu müssen?
Diese Peinlichkeit, von der Sie sprechen, spielt eine große Rolle. Das Internet gibt uns in dieser Hinsicht übrigens ein Stück Hilfestellung: So eine Rüge bekommt ein besonders nachhaltiges Gewicht, weil sie im Netz dokumentiert wird. Allerdings sind die Rügen nicht nur eine Erfolgsgeschichte – es gibt Zeitungen, die da nachlässig sind und sich um die Veröffentlichung drücken.

Das kommt wiederholt vor. Letztlich können Sie die Veröffentlichung nicht durchsetzen.
Da haben Sie recht. Wir können nur öffentlich unsere Argumente dagegen halten, eine Veröffentlichung aber nicht erzwingen. Wenn wir die Hilfe von Gerichten in Anspruch nehmen müssten, hätte sich das System der freiwilligen Selbstkontrolle ad absurdum geführt.