Maik Franz, Abwehrspieler bei Hertha BSC, spricht über den Abstiegskampf und sein ganz spezielles Verhältnis zum VfB Stuttgart.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Seit Maik Franz in Diensten seines ehemaligen Vereins Karlsruher Sport Club  zum badischen Nationalheiligen wurde, ist er der meistgehasste Fußballer Stuttgarts. Für seinen derzeitigen Verein Hertha BSC Berlin würde er gerne gegen den VfB Stuttgart (Verfolgen Sie das Spiel ab 15.30 Uhr im StZ-Liveticker) antreten, Franz ist derzeit aber verletzungsbedingt an die Couch gefesselt. Im StZ-Interview spricht er über Maik-Franz-Hass-Gruppen bei Facebook, Mario Gomez und Giftfeile aus Stuttgart. 

 

Herr Franz, was macht das Knie?

Ein Kreuzbandriss ist wirklich mit das Schlimmste, was einem Fußballer passieren kann, zusammen mit einem Knorpelschaden oder einem Wadenbeinbruch sind das die Sachen, die kein Fußballer braucht.

Sie haben sich Anfang Dezember das Band gerissen und fallen bis Saisonende aus. Wie geht man als Profi damit um, tattäglich in der Folterkammer des Vereins schuften zu müssen, während die Kollegen um Punkte kämpfen?

Die letzten acht Wochen waren wirklich hart, morgens Reha, nachmittags bist du an die Couch gebunden, da fällt dir irgendwann die Decke auf den Kopf. Mit der Mannschaft mitreisen kann ich auch nicht, solange die Schwellung nicht zurückgegangen ist.

Wie behelfen Sie sich in der Situation?

Das ist wirklich nervig. Du willst unbedingt eingreifen, willst der Mannschaft helfen, bist aber nicht so nah dran, dir fehlt das Fußballfeeling. Als Profi hast du den schönsten Job der Welt, du hast tagtäglich Spaß mit den Jungs, darfst am Wochenende vor 30.000 bis 40.000 Zuschauen zeigen, was du kannst – das fehlt momentan natürlich brutal.

Ihre letzten beiden Vereine, der Karlsruher Sport Club  und Eintracht Frankfurt, sind jeweils abgestiegen, als sie verletzt waren. Wie viel Angst haben Sie, dass es jetzt schon wieder so kommt?

Ich denke mir schon manchmal, dass das grad alles nicht wahr sein kann, das reinste Déjà-vu-Erlebnis. Ich will auf keinen Fall wieder absteigen, während ich verletzt Zuhause herumliege. Das werden wir aber auch nicht, weil wir eine sehr charakterstarke Mannschaft haben.

Am Sonntag steht für Ihren Verein das Spiel gegen den VfB Stuttgart an, das viele in der Kategorie „Not gegen Elend“ verorten.

Das sehe ich nicht so. Die Liga ist in der zweiten Tabellenhälfte so eng beieinander, dass man dann vier oder fünf Partien den Stempel „Not gegen Elend“ aufdrücken könnte.

Welche Chance hat die Hertha denn gegen den VfB?

Wir fahren nach Stuttgart, um zu gewinnen. Beim VfB herrscht ein Riesendruck, der Trainer scheint nicht ganz so fest im Sattel zu sitzen, aus der Distanz betrachtet scheint es in der Mannschaft nicht so zu passen, da haben wir wirklich gute Chancen, weil wir einen guten Charakter im Team haben. In Stuttgart kann man immer mal gewinnen, das habe ich mit Eintracht Frankfurt in der vergangenen Saison erlebt.

Sie haben ja ohnehin ein eigenes Verhältnis zum VfB. Seit ihrer Zeit beim Karlsruher Sport Club gelten Sie als badischer Nationalheiliger, in Stuttgart dagegen reagiert man allergisch, wenn man den Namen Maik Franz hört.

 Ich hatte die vielleicht besten drei Jahre meiner Karriere beim KSC und bin ein Spielertyp, der für seinen Verein auf dem Platz immer alles geben will. Da wurden die Partien in Stuttgart eben immer besonders emotional. Aus Stuttgart kommen dafür immer noch Giftpfeile gegen mich, in der Hinrunde wurde „Babbel = Freund und Franz = Feind“ getitelt. In diesem Leben wird der VfB sicher nicht mehr mein Verein.

Andersherum lieben Sie die Stuttgarter Fans immer noch ganz besonders, im Internet gibt es auf der Plattform myvideo etwa die „Scheiß-Maik-Franz-Gruppe“.

Da gibt es einige, auch bei Facebook, die sich nicht gerade freundschaftlich mit mir auseinandersetzen. Ich habe kein Problem damit, wenn einer sagt, den Franz mögen wir nicht, das ist ein Arsch. Das Profigeschäft lebt ja gerade von solchen Emotionen. Wenn einer sagt, der Franz hat sie nicht alle, ist mir das piepegal. Ich will es auch nicht allen recht machen.

Und wie verhält man sich, wenn ein anderer Profi einen persönlich beleidigt, wie das Mario Gomez ihnen gegenüber getan hat?

Ach, das ist doch vier Jahre her, das kann der Gomez doch selber längst nicht mehr hören. Das kann aus der Emotion heraus schon mal passieren, wenn man sich danach bei einer persönlichen Begegnung grüßt oder ausspricht, ist das für mich ausgeräumt. Leider hat es in den letzten Jahren aber zugenommen, dass sich ein Spieler gezielt über einen anderen in der Zeitung äußert. Das finde ich armselig, das hat es früher nicht gegeben.

Woran liegt das?

Das Medieninteresse hat einfach unglaublich zugenommen. In Berlin gibt es fünf, sechs Tageszeitungen, dazu kommen Internet, Fanforen usw. Das ist einerseits eine Riesenchance, weil du schneller nach oben kommen kannst, andererseits wirst du auch brutal schnell zerrissen, wenn es mal nicht so läuft, dann bist du genau so schnell weg vom Fenster. Das Rauschen im Blätterwald, wie man so schön sagt, ist definitiv viel extremer geworden.

Wie gehen Sie mit dem medialen Interesse an Ihrer Person um?

Ich habe es mir abgewöhnt, den Sportteil zu lesen, in Foren schau ich erst gar nicht mehr rein. Da kommentieren Menschen, die selber keine zehn Meter geradeaus laufen können, Situationen, die sie überhaupt nicht nachvollziehen können. Wenn man das als Spieler ernst nimmt, dreht man durch.

Liegt es Ihrer Meinung nach auch an dieser gesteigerten Aufmerksamkeit, dass Jungprofis heute sehr glatt gebügelt daherkommen? Typen wie Sie oder ein Stefan Effenberg werden seltener, während der Profi von heute Abitur hat und sich im schlimmsten Fall sogar für Literatur interessiert.

Es ist immer schwierig, über sich selbst zu reden, das mag ich nicht, da denken die Leute sonst, der findet sich ja geil, ich würde lieber bald wieder Leistung auf dem Platz bringen. Auch kann man mich nicht mit einem Effenberg vergleichen, der Titel gewonnen hat. Wir haben eben momentan eine Phase, in der es sehr viele talentierte junge Profis gibt. Die müssen sich aber erst einmal beweisen, bevor sie zum einen Sprüche klopfen können oder sich eben erste Sporen verdient haben. Typen gibt es aber auf jeden Fall noch, ein Kevin Großkreutz bei Borussia Dortmund zum Beispiel, der ist authentisch und ehrlich

Zurück zu Ihrer Lieblingsstadt Stuttgart, was für einen Bezug haben Sie außerhalb des Fußballs zur Landeshauptstadt von Baden-Württemberg?

Stuttgart ist an sich eine tolle Stadt, meine Freundin kommt aus Karlsruhe, da ist man dann öfter mal in Stuttgart, durch die Diskussion um S21 war die Stadt ja auch überregional lange präsent. Ich bin eigentlich immer gerne hier. Kennen Sie den Laden Abseits auf dem Kleinen Schlossplatz? Mit dem Besitzer verstehe ich mich gut, ins Amici gehe ich auch gerne. Der VfB wird trotzdem nicht mehr mein Lieblingsverein.

Schade, die Innenverteidigung der Roten könnte Sie gerade ganz gut gebrauchen. Den Rest der Saison werden Sie wegen Ihrer Verletzung aber ohnehin verpassen, dabei hätte doch der Juni für Sie ganz besonders werden können.

Was meinen Sie damit?

Nicht so bescheiden, Sie haben doch als ehemaliger U21-Nationalspieler mit Sicherheit mit einem Anruf von Jogi Löw für die EM gerechnet, oder? Europameister neben Holger Badstuber in der Innenverteidigung klingt nicht so schlecht, oder?

Wenn Herr Löw anrufen würde, würde ich sogar mit kaputten Kreuzband und einem Wadenbeinruch gleichzeitig spielen.

Verfolgen Sie die Partie zwischen dem VfB Stuttgart und Hertha BSC Berlin im StZ-Liveticker.