Was bleibt Ihnen aus diesen Jahren besonders in Erinnerung?
Unendlich viel. Ich liebe den Fußball, ich konnte einen Traum leben, ich hatte und habe einen Traumberuf. Wenn man jung ist, will man unbedingt ein WM-Finale kommentieren – davon hatte ich vier. Man will unbedingt bei einem Champions-League-Finale dabei sein – ich hatte mehr als 20. Es sind in der Summe weit mehr als 1000 Spiele, die ich kommentiert habe. Da kam schon recht früh der Moment, an dem ich mir gesagt habe: genieße einfach jedes Spiel. Als ich das begriffen hatte, fand ich in jedem profanen Bundesligaspiel etwas ganz Besonderes. Ich habe deshalb nie ein Ranking meiner besten Spiele gemacht.
Gar kein Moment für die Ewigkeit?
Wenn Sie darauf bestehen, nenne ich Ihnen einen. Wissen Sie welchen?
Den verbalen Doppelpass mit Günther Jauch, als in Madrid ein Tor umfiel und Sie die Zeit überbrücken mussten?
Nein. Das war zwar offensichtlich preiswürdig, darauf werde ich auch immer wieder angesprochen – stolz war ich darauf aber nie. Ich wollte ja kein Komiker werden. Es war ein anderer Moment.
Bitte.
Also, Champions-League-Finale 2003 in Manchester, Juventus Turin gegen AC Mailand. Kurz zuvor war mein Vater gestorben, ich hatte eigentlich gar keine Lust, zu diesem Spiel zu fahren. Mailand gewann im Elfmeterschießen, und dann passiert Folgendes: der Milan-Kapitän Paolo Maldini geht zur Siegerehrung, sein Vater Cesare, der einst ebenfalls Europapokalsieger war, sitzt oben auf der Tribüne. Jetzt reißt sein Sohn den Pokal in die Höhe, schaut in die Richtung seines Vaters – und ich sage: „Papa, guck.“ Danach konnte ich zwei Minuten erstmal nichts mehr sagen. Das war das Beste, was mir jemals rausgerutscht ist. Nichts hätte diesen Moment würdiger begleiten können.
Weil Ihr Vater von oben zugeschaut hat.
Ich hatte das Studium abgebrochen, mein Vater hätte es sicher gern gehabt, wenn ich es zu Ende gemacht hätte. Ich weiß aber, dass er in einem Abstellraum, den ich gar nicht kannte, Zeitungsausschnitte über mich gesammelt hat. Deshalb weiß ich, dass er irgendwann seinen Frieden gemacht hat.